Deutsche Reiterliche Vereinigung
09.09.2023 | 16:25 Uhr | Uta Helkenberg

EM Riesenbeck Para-Dressur: „Duftmarke für Paris ist gesetzt“

Deutsche Para-Dressurreiterinnen gewinnen sieben Mal Edelmetall

Zweimal Gold und einmal Silber für Heidemarie Dresing - Foto: Lafrentz

Zweimal Gold und Team-Silber - Heidemarie Dresing war die erfolgreichste der vier erfolgreichen deutschen Para-Dressureiterinnen bei den EM in Riesenbeck . Insgesamt gewannen sie sieben Mal Edelmetall. Foto (c)

Parallel zu den Europameisterschaften Dressur haben in Riesenbeck auch die Para-Dressurreiter ihre Europameister ermittelt. Mit zwei Gold-, einer Silber- und drei Bronzemedaillen in der Einzelwertung und Kür sowie Team-Silber konnten die deutschen Reiterinnen wieder an frühere Erfolge anknüpfen. Zuletzt standen deutsche Para-Dressurreiter 2015 bei Europameisterschaften und 2018 bei Weltmeisterschaften auf dem Podium. Im vergangenen Jahr bei den WM in Herning gingen sie komplett „leer“ aus.

Der jetzige Erfolg ist auch das Ergebnis einer Umstrukturierung. Der Para-Spitzensport wurde Anfang des Jahres ans Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) angebunden, hinzu kommt eine Förderung durch die Stiftung Deutscher Pferdesport. Unter der Leitung der neuen Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer wurde das Training intensiviert und individuell auf die einzelnen Reiter und Pferde zugeschnitten. „Am Anfang war es wichtig, zu sehen, wo jeder einzelne steht, um ihn optimal dort abholen zu können. Wir haben viele Hausbesuche gemacht, damit man sieht, wie das Training zuhause abläuft, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Danach wurde für jeden ein Plan entwickelt, es wurden individuell ‚Hausaufgaben‘ aufgegeben und bei den Lehrgängen die Entwicklung überprüft“, erzählt die Bundestrainerin. Im Austausch mit den Heimtrainern sei so immer mehr an den Feinheiten gearbeitet worden. Dazu kamen zahlreiche Turnierbesuche. Fütterer-Sommer: „Auch das war für mich natürlich eine Hilfe, um die Reiter kennenzulernen. Das Training ist das eine, aber die Prüfungssituation ist natürlich nochmal eine ganz andere. Das ganze Management ist ja enorm wichtig für uns. Zu wissen, an welchen Stellschrauben wir noch drehen müssen. Hier in Riesenbeck weiß jetzt jeder genau, was er zu tun hat – Reiter, Pfleger, sonstige Begleiter – auch das ist ein Teil des Erfolgs.“ Last but not least nennt Silke Fütterer-Sommer auch das Vertrauen zwischen Reiter und Trainer als entscheidenden Faktor. „Wenn der, der unten steht und sagt, das sieht super aus, dann müssen die Reiter darauf vertrauen. Aber auch dieses Vertrauen musste sich erst einmal entwickeln.“ Dass das Ergebnis so rasch Früchte tragen würde, findet Silke Fütterer-Sommer selbst unglaublich: „Unser Auftrag war es, eine ‚Duftmarke‘ für die Paralympics in Paris zu setzen“, sagte sie. Das ist mehr als gelungen. 

Grade II: Zwei Mal Gold für Heidemarie Dresing
Erfolgreichste der vier deutschen Para-Dressurreiterinnen in Riesenbeck war Grade II-Reiterin Heidemarie Dresing aus Rheda-Wiedenbrück. Für die 68-jährige, an Multipler Sklerose erkrankte Architektin ist bereits mit der Goldmedaille in der Einzelwertung „ein Traum in Erfüllung gegangen“. Für die Kür zu Filmmusik von Ennio Morricone hatte sie ihre eigene Messlatte hochgelegt. 80 Prozent wolle sie erreichen, hatte sie vorab angekündigt und tatsächlich wurden es 80,353 Prozent – nochmals Gold. Heidemarie Dresing startet seit 2019 für Deutschland bei Championaten, war mehrfach Vierte. Partner ihres Triumphes in Riesenbeck ist der elfjährige Oldenburger Rappwallach Horse24Dooloop (v. Dressage Royal) aus der Zucht von Nadine Plaster, die Pferd und Reiterin auch als Heimtrainerin nach Riesenbeck begleitete. „Ich bin überwältigt, dass es so gut geklappt hat. Obwohl es mir Dooly heute nicht so einfach gemacht hat, nach drei Tagen“, sagte sie, er sei eher „ein gemütlicher Typ“. Zeit zum Ausspannen bekommt er jetzt. „Ab morgen geht es für vier Wochen auf die Weide“, versprach seine Reiterin.

Auf den weiteren Plätzen des Grade II landeten die Britin Georgia Wilson mit Sakura (79,367 Prozent) sowie die Norwegerin Ann Cathrin Lübbe, die in diesem Jahr von Grade III in Grade II gewechselt ist, mit La Costa Majlund (74,540 Prozent(,

Grade I: Bronze zum Abschluss für Martina Benzinger 
Zu zweimal Silber – in der Einzelwertung und im Team – kam für Martina Benzinger und ihre Lipizzaner Stute Nautika am letzten Tag noch einmal Edelmetall hinzu. Beginnend mit Musik aus dem Musical Cabaret („Milord“) marschierte die Schimmelstute durch die Prüfung, die in Grade I nur im Schritt geritten wird. „Sie hat sich super angefühlt. Nur dadurch, dass sie durch das Training etwas ruhiger geworden ist, musste ich vor allem in den Schlangenlinien etwas improvisieren, damit es von der Musik her passt“, sagte Benzinger, die wie Dresing an Multipler Sklerose erkrankt ist. „Wir haben hier wesentlich mehr erreicht, als ich erhofft hatte“, so das Fazit ihrer EM-Premiere..

Mit 78,347 Prozent musste Martina Benziner in der Kür nicht nur den Iren Michael Murphy mit Clever Boy (79,887 Prozent) den Vortritt lassen, sondern vor allem auch Sara Morganti, die von ihren italienischen Fans frenetisch gefeiert wurde. Sie hatte in der Einzelwertung etwas Pech gehabt, da sich ihre Stute Mariebelle beim Einreiten erschrocken hatte und sie genug damit zu tun hatte, sie durch die Prüfung zu steuern. In der Teamwertung lieferte die amtierende Kürweltmeisterin (mit Royal Delight) dann bereits über 78 Prozent für ihr Team und sicherte sich in der Kür mit 81,640 Prozent den Titel. Nicht am Start war in der Kür der frisch gebackene Einzeleuropameister Rihards Snikus aus Lettland. Sein Pferd King of the Dance durfte am Vorabend den VetCheck nicht passieren.

Grade III: Gutes EM-Debüt für Melanie Wienand
Frank Sinatras „My Way“ war das Motto der Kür der EM-Debütantin Melanie Wienand. Die ehemalige Berufsreiterin aus Osnabrück, die sich nach einem schweren Reitunfall 2011 ins Leben und in den Sattel zurückgekämpft hat, wurde in der Einzelwertung mit Bronze dekoriert. In der Kür wurde es Platz fünf. denn die Reiteirn hatte mit einer Fliege zu kämpfen, die sich am Genick ihres Lemony’s Loverboy („Flauschi“) festgesetzt hatte. „Ich merkte schon gleich am Anfang, da ist ein kleines Problemchen. Weil sie (die Fliege) aber direkt hinter dem Genick saß, kam ich nicht richtig dran und dabei habe ich mein Pferd irritiert“, sagte sie. Allerdings habe sie auch gemerkt, dass ihr nach der langen Championatswoche generell etwas die Kraft ausgangen sei. Prinzipiell zog Wienand ein positives Fazit der EM. „Eine wundervolle Zeit hier zu Ende. Es sind einfach tolle Bedingungen hier, ein Träumchen. Ich hoffe, dass wir das so weitermachen können, auch mit den Regelsportlern zusammen.“

Kein Vorbeikommen gab es in Grade III auch in der Kür an dem jungen Dänen Tobias Thorning Joergensen und seiner Schimmelstute Jolene Hill, die nach Riesenbeck nun zeitgleich den Titel in den Paralympics, Welt- und Europameisterschaften halten. Mit 83,833 Prozent verwies er mit Abstand die Französin Chiara Zenati mit Swing Royal Ifce (77,773 Prozent) auf den Silberrang. Bronze ging an die frisch gebackene Teameuropameisterin Lotte Krijnsen mit Rosenstolz N.O.P. (75,680 Prozent).

Grade V: Kleiner Fehler kostet Regine Mispelkamp die Kür-Medaille 
Sie begannen perfekt, mit viel Ausdruck und auf den Punkt passend zur Musik. Nur kurz vor Ende wurde der Dunkelfuchs Highlander Delight's im Galopp einmal etwas flott. Ein teurer Fehler, wie sich herausstellte. Zwar gab es immer noch 76,170 Prozent für die Regine Mispelkamp (Geldern), aber vier Zehntel zu wenig, um ein drittes Mal an diesem EM-Wochenende auf dem Treppchen zu stehen. Sie landete auf Platz vier. „Es fing mega an. Vor der vorletzten Ecke kam dann etwas Spannung auf und als dann dieser eine Ton aus dem Lautsprecher kam, musste er, glaube ich, seine Energie rauslassen. Das ist schade, ist aber eben so“, nahm es die an MS erkrankte Pferdewirtschaftsmeisterin gelassen. Generell fiel ihr Fazit sehr positiv aus: „Wir waren schon guten Mutes, als wir hierhergekommen sind. Aber dass so viel Positives dabei herausgekommen, ist einfach mega. Es war eine tolle Teamleistung. Wir haben alle einen guten Job gemacht und unsere Teamleitung sowieso.“

Der Titel in Grade V ging wie schon in der Einzelwertung an die Belgierin Michèle George mit der Hannoveraner Stute Best of 8 mit 81,275 Prozent. Der Niederländer Frank Hosmar sicherte sich mit Alphaville N.O.P. 79,045 Prozent die Silbermedaille und die Britin Sophie Wells konnte mit ihrer Nachwuchshoffnung LJT Egebjerggards Samoa die Bronzemedaille erringen.

Die Prüfungen in Grade IV fanden in Riesenbeck ohne deutsche Beteiligung statt. Hier landete hinter einer niederländischen Doppelspitze - Demi Haerkens mit EHL Daula N.O.P.  und Sanne Voets mit Demantur RS2  N.O.P: - die belgische Reiterin Manon Claeys mit Katharina Sollenburg auf Platz drei. 

Alle Infos zum deutschen Para-Team, den Zeitplan und Starter- und Ergebnislisten gibt es hier: www.pferd-aktuell.de/em2023/para-dressur-in-riesenbeck

Stand: 18.02.2024