Deutsche Reiterliche Vereinigung
12.08.2023 | 21:00 Uhr | Uta Helkenberg

EM Vielseitigkeit 2023: Deutschland nach Gelände weiter auf Platz zwei

Sandra Auffarth ist Dritte in der Einzelwertung / Michael Jung ausgeschieden

Sandra Auffarth und Viamant du Matz - Foto (c) Stefan Lafrentz

Sandra Auffarth und Viamant du Matz nehmen bei der EM 2023 Kurs auf eine Medaille. Sie liegen vor dem abschließenden Springen auf Rang drei. Foto (c) Stefan Lafrentz

Wie zu erwarten war, hat die Geländeprüfung die Rangierung bei Europameisterschaften Vielseitigkeit kräftig durcheinandergewirbelt. Die Spitzenposition unter den deutschen Paaren nehmen Sandra Auffarth und Viamant du Matz ein. Sie belegen Platz drei hinter den Britinnen Rosalind Canter und Kitty King. Die deutsche Mannschaft bleibt weiter auf Platz zwei, muss aber im Springen auf Michael Jung und fischerChipmunk FRH verzichten, der im Gelände ausscheiden musste.

Vom ersten Tag an herrschte allgemein Einigkeit darüber, dass der Geländekurs von Pierre Le Goupil sehr schön gebaut ist, championatswürdig, mit respektheischenden Hindernissen – und vor allem „tough“. Nicht nur, was die Sprünge selbst betrifft, sondern auch den Streckenverlauf, der an keiner Stelle flach ist, sondern beständig durch hügeliges Terrain führt. „Die Fitness wird daher größte Bedeutung haben, sie kann den Unterschied machen“, erklärt Rodolphe Scherer. Der Franzose, selbst hoch erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter und Teilnehmer an den WM 2014, ist seit eineinhalb Jahren Geländetrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter und seit vielen Jahren mit dem Gelände des Haras du Pin vertraut. Last but not least hat auch das Wetter einen bedeutenden Einfluss. Alle Hoffnung, der von anhaltenden Regenfällen im Vorfeld aufgeweichte Böden, möge bis zum Geländetag weiter austrocken, gingen nicht Erfüllung. Nach zwei schönen Sommertagen fing es am Freitag erneut an zu regnen. Am Samstagmorgen wurde daher beschlossen, den bis dahin 5.800 Meter langen Geländekurs auf 4.730 Meter zu kürzen. Fünf der insgesamt 29 Hindernisse – die Nummern 11 bis 16 – wurden aus der Strecke genommen. Die erlaubte Zeit verkürzte sich damit auf 8:18 Minuten.

Als Startreiterin für Deutschland war wieder Malin Hansen-Hotopp mit Carlitos Quidditch K unterwegs. Das Paar erfüllte erfolgreich seine Aufgabe, eine sichere Runde ins Ziel zu bringen. Mit 9.04 Minuten benötigte sie allerdings fast eine Minute länger als erlaubt. "Es fing toll an, aber man merkte schon gleich, dass es wirklich schwer werden wird. Heute Morgen haben wir noch gesagt, super der Boden ist nicht so schlecht, es sind zwei Minuten weg, wir reiten doch schneller. Doch ich habe schnell gemerkt, dass das keine gute Taktik ist und habe ich ihn sofort etwas ruhiger galoppieren lasen. Es brachte schon richtig Spaß, aber hinten raus wurde es auch viel Arbeit ihn zusammenzuhalten und heil und safe oben im Wald anzukommen", sagte sie nach ihrem Ritt. Uhr Zwischenstand: 49,9 Minuspunkte - Platz 20. 

Ohne Fehler kamen auch Christoph Wahler und Carjatan S ins Ziel. "Es war von Anfang an harte Arbeit, man hat gemerkt, dass es meinen Pferd heute nicht leicht gefallen ist. Er hatte von Sprung eins an mit dem Boden zu kämpfen. Ich habe mich dann darauf verlegt, rüberkommen zu wollen und ihm einfach nur einen gleichmäßigen Galopp zu ermöglichen", sagte Wahler. Dabei sei das Pferd nicht etwa müde gewesen. "Er ist fit, fühlte sich im Ziel wohl, aber man merkte ihm einfach an, dass er auf diesem Boden nicht gerne galoppiert. Wir hatten nur eine Geschwindigkeit und die mussten wir reiten, schneller ging nicht. Ich habe das ehrlichste und vermögendste Pferd für so einen Kurs. Es gibt bestimmt schnellere Galoppierer, aber ich bin extrem stolz auf ihn." Sein Zwischenstand 41,5 Minuspunkte - Platz sechs. 

Eine Toprunde gelang Sandra Auffarth und Viamant du Matz. Als eines der schnellsten Paare mussten sie nur sechs Zeitstrafpunkte in Kauf nehmen und rückte damit vom elften auf den dritten Platz vor. Zwischenstand 34,6 Minuspunkte. „Der Boden war sogar schlechter noch, als ich befürchtet hatte“, sagte sie im Ziel. Das Schwierige sei gewesen, dass es sich einerseits gut lief und dann wieder Stellen kamen, in denen der Boden tief wurde. „Mein Pferd läuft da rüber. Aber irgendwann denken die Pferde: ‚Hmm, was ist das‘. Das war wirklich nicht schön, wenn man eine gute Distanz zum Sprung hat und die Pferde dann bei der Landung so in den Boden reingehen. Danach habe ich entschieden, an den Sprüngen das Tempo herauszunehmen. Am Ende ist das schade, weil er superfit war, auch im Ziel, und ich es hätte schaffen können [in die Zeit zu reiten]. Aber ich bin auf Nummer sicher gegangen und bin auch so super happy mit dem Ergebnis.“

Als letzter deutscher Reiter startete auch Michael Jung mit fischerChipmunk FRH gut in den Kurs. Mit einer schnellen Runde hätte er nicht nur seine Chance auf die Führung in der Einzelwertung sichern, sondern auch das deutsche Team ganz nach vorne bringen können. Seine Reise jedoch am Einsprung zum letzten Wasser. fischerChipmunk FRH verstolperte sich beim Landen, sein Reiter musste aus dem Sattel. „Das war einfach Pech. Er hat einen guten Sprung gemacht, ist einfach eingeknickt“, sagte Jung. Der Boden sei an dieser Stelle aber nicht der Grund gewesen. „Sonst war der Boden, muss man leider sagen, nicht gut“; so Jung.

Briten in der Teamwertung weiter führend
Am Ende des Tages rangiert das deutsche Team dennoch weiter auf Platz zwei. Mit insgesamt 126,0 Minuspunkten hat das deutsche Team allerdings nur einen hauchdünnen Vorsprung auf Frankreich mit 126,2 Minuspunkten. Mit Abstand in Führung liegen die Briten mit 98,7 Minuspunkten, die ebenfalls drei Paare ohne Hindernisfehler ins Ziel brachten. Während allerdings die amtierende Weltmeisterin Yasmin Ingham mit Banzai du Loir einen Vorbeiläufer hinnehmen musste, gelang es ihrer Vorgängerin Rosalind Canter mit Lordships Graffalo (Stallname „Walter) als Einziger, den Kurs komplett ohne zusätzliche Strafpunkte zu beenden. Mit 21,3 Minuspunkten startet sie damit am Sonntag als Führende und Letzte in den Parcours, gefolgt vor ihrer Teamkollegin Kitty King mit Vendredi Biats. Diese hat 30,8 Minuspunkte auf dem Konto und damit keinen Fehler Abstand auf Sandra Auffarth.

Gelungenes EM-Debüt für Jérôme Robiné
Einen gelungenen EM-Einstand gab Jérôme Robiné mit seinem Iren Blacke Ice. In der Dressur hatte das Paar das zweitbeste Ergebnis unter den deutschen Teilnehmern erzielt. Mit einem Zwischenstand von 44,4 Minuspunkten rangiert er nach dem Geländeritt auf Platz zehn. „Ich habe gemerkt, es lässt sich alles gut springen, aber du musst vorsichtig sein, dass du nicht zu schnell anfängst, damit du die Konzentration an den Sprüngen hochhalten kannst. Ich habe mich dann entschieden, die Uhr auszumachen und nur nach Gefühl zu reiten“, sagte und erklärte, dass es mit jeder Aufgabe besser wurde und er mehr angreifen konnte.“ Auf Grund eines Sturzes der Reiterin vor ihm, wurde er auf der Strecke kurzfristig angehalten. „Es ist das erste Mal, dass mir das passiert ist. Aber die Trainer waren sofort da und haben mir erklärt, was ich machen soll.“

Ähnliches Pech wie sein schwäbischer Landsmann Jung hatte der zweite deutsche Einzelreiter, Nico Aldinger. Der mittlerweile in der Nähe von Luhmühlen heimische Reiter und sein Schimmel Timmo starteten gut und sicher in den Kurs, mussten jedoch ebenfalls auf der Strecke ausscheiden. Insgesamt kamen 16 Paare nicht ins Ziel.

Fazit des Bundestrainers
„Wir waren von Anfang sicher, dass das hier konditionell extrem anspruchsvoll wird. Der Kurs war sowie sehr schwer. Und durch die Hügel und den Regen war das wirklich eine äußerste Anstrengung für Pferd und Reiter. Gott sei Dank hat der Veranstalter den Kurs m zwei Minuten gekürzt, das war wirklich eine tolle Entscheidung. Nichtsdestotrotz mussten sich die Reiter das gut einteilen, auch das haben wir so erwartet“, sagte Bundestrainer Peter Thomsen. „Erst einmal freue ich mich, dass alle gesund und munter im Stall sind, Pferde wie Reiter. Wir liegen auf dem zweiten Platz, aber 0,2 Punkte Abstand, das ist gar nichts. Wir hoffen nun, dass die Pferde morgen top in Schuss sind und wir eine Medaille mit nach Hause nehmen können.“

Der Finaltag der EM beginnt um 9 Uhr mit der Verfassungsprüfung. Ab 12 Uhr starten dann die bis Platz 26 rangierten Paare in den Parcours. Das Springen der besten 25 findet ab 14 Uhr statt.

Weitere Informationen zu den Europameisterschaften Vielseitigkeit 2023 gibt es unter www.pferd-aktuell.de/em2023.

Stand: 12.08.2023