Deutsche Reiterliche Vereinigung
11.04.2024 | 11:11 Uhr | fn-press

Energetische Sanierung eines Reitbetriebs – ein Praxisbeispiel

„Kleine Maßnahmen helfen bereits“

Hof Schulte in Bad Sassendorf - Foto (c): privat

Verschiedene Maßnahmen rund um die energetische Sanierung hat die Pferdepension Schulte in Bad Sassendorf umgesetzt. Foto (c): privat

Heizen mit Pferdemist? Die Pferdepension Schulte in Bad Sassendorf hat nicht nur eine ganz besondere Heizung, sondern dort sind auch zahlreiche weitere Maßnahmen umgesetzt worden, um die Anlage möglichst ökologisch zu betreiben und Kosten zu sparen. Welche Maßnahmen erfolgreich sind und was sich einfach umsetzen lässt, zeigt dieses Praxisbeispiel der Pferdepension Schulte.

Photovoltaik-Anlagen nutzen
Bereits 2009 wurde auf dem Dach der Reitanlage der Pferdepension von Ulrich Schulte, die seit 2021 sein Sohn Kai Schulte betreibt, die erste Photovoltaik (PV)-Anlage installiert. Der Grund dafür: Den Strom, den diese PV-Anlage erzeugte, verkauften die Betreiber. Dieser Verkauf rechnete sich in Relation zu dem, was sie für ihren Strom zahlten und erzielten Gewinn. Deshalb sollte die PV-Anlage 2011 erweitert werden – hierfür baute die Familie sogar ein neues Gebäude, welches die entsprechende Ausrichtung und sogar ein asymmetrisches Dach hat, damit eine größere Dachfläche in Richtung Süden ausgerichtet ist. In dem Gebäude befinden sich Ställe, eine Führanlage, eine Longierhalle sowie eine Sattelkammer.

Strom sparen durch Tageslicht
Doch genau genommen startete die energetische Neuausrichtung des Betriebs schon im Jahr 2000, als die Reithalle, auf der nun eine PV-Anlage liegt, geplant wurde. Denn bereits vor mehr als 20 Jahren hatte die Familie das Ziel, das Tageslicht in der Reithalle möglichst gut zu nutzen, um so Strom sparen zu können. Hierfür wurden zum einen die Wände an den langen Seiten offen mit Windnetzen gebaut. So kommt nicht nur mehr Tageslicht in die Halle, sondern auch viel Luft. Zum anderen wurden im Dach der Halle Lichtplatten verbaut, damit auch von oben vermehrt Tageslicht in die Halle scheint. Diese Lichtplatten wurden in einer Art Schachbrettmuster gelegt. Dadurch verteilt sich das Licht besser auf dem Boden und ist somit auch besser für lichtscheue Pferde. „Ein Nachteil hierbei ist, dass wir nun weniger Platz für PV-Anlagen auf dem Reithallendach haben. Mittlerweile gibt es aber sogar lichtdurchlässige PV-Anlagen, die man auf solchen Lichtplatten verlegen könnte“, erklärt Ulrich Schulte.

Reicht das Tageslicht nicht mehr aus, wird die Beleuchtung angeschaltet. Diese kann bei der Pferdepension in Bad Sassendorf auf verschiedene Arten gesteuert werden: So ist es möglich, zum Longieren beispielsweise nur eine Hälfte der Halle oder sogar nur den Teil, den man tatsächlich benötigt, auszuleuchten. Grundsätzlich kann jede zweite Lampe von jedem Einstaller eingeschaltet werden. Wird mehr Licht benötigt, zum Beispiel bei Springstunden oder Lehrgängen, kann auch das ganze Licht genutzt werden – das ist jedoch nur mit einem Schlüssel möglich, den nur wenige Personen haben. So wird vermieden, dass jeder Nutzer die gesamte Beleuchtung einschaltet, obwohl das gar nicht nötig wäre. „Alte Lampen sollten nicht direkt alle ausgetauscht werden. Hier sollte unbedingt vorher gerechnet werden, ob sich die Neuanschaffung und der Austausch aller Lampen auf einmal rechnen würde. Wir haben einen Stromzähler eingebaut – im Winter macht die Hallenbeleuchtung etwa ein Drittel des Stromverbrauchs aus, das ist weniger als man denkt“, sagt Kai Schulte. In den Sattelkammern sind bereits teilweise Bewegungsmelder installiert, so dass das Licht nicht ständig weiterbrennt.

Problem Zisterne
Vor einigen Jahren hatte die Familie auch geplant, eine Zisterne zu installieren, so dass das Regenwasser aufgefangen und beispielsweise für die Bewässerung der Böden genutzt werden kann. Doch das Problem: Der Grundwasserspiegel vor Ort hätte dafür gesorgt, dass möglicherweise der Tank mit einem Fassungsvermögen von 60.000 Litern hochgeschwemmt worden wäre. Dieser sollte ursprünglich unter dem Parkplatz verbaut werden. „Hier sollte man sich unbedingt vorher informieren, ob das Verbauen einer Zisterne auf diese Weise in der Region möglich ist. Rund um das Thema Wasser sparen möchten wir in Zukunft auf jeden Fall noch mehr machen“, so Kai Schulte. Was schon jetzt möglich ist: die Reitplatzbewässerung anpassen. „Wir wässern am liebsten morgens früh und nur, wenn es windstill ist. So läuft der Wassertank morgens voll, wenn die PV-Anlage bereits Strom erzeugt. Wenn es windig ist und wir dann bewässern würden, würde sich das Wasser nicht gut auf dem Reitboden verteilen.“

Heizung mit Pferdemist
Früher liefen im Stall Metallrohre von Tränke zu Tränke. Das führte dazu, dass die Leitungen teilweise eingefroren und auch geplatzt sind. Im neuen Gebäude verbaute die Familie dann Plastikleitungen, da Plastik die Wärme weniger leitet und diese stattdessen im Wasser bleibt. Zusätzlich isolierte Familie Schulte diese Plastikrohre viel dicker als zuvor. Nach diesem Prinzip rüsteten sie im Anschluss auch die Leitungen in den anderen Stallgebäuden nach.

Eine weitere Veränderung, die auf dem Betrieb im Bereich Heizung durchgeführt wurde: Die Sattelkammer im neuen Gebäude wird mit Mist geheizt. Dafür wurden Wasserschleifen unter den neuen Tiefstreuboxen verlegt. Das Wasser wird mit einer Pumpe unter den Ställen hergeleitet, dort durch den Pferdemist in den Boxen erwärmt und gelangt dann in die Schläuche unter der Sattelkammer. „Das haben wir uns damals selbst ausgedacht, ich habe gedacht: Das muss doch irgendwie gehen. Nachrüsten lohnt sich leider nicht, sonst hätten wir das bei den anderen Ställen schon längst gemacht“, berichtet die Seniorchefin Karin Schulte. „Wichtig ist natürlich, dass die Boxen belegt sind. Und man kann nicht misten, wenn es draußen friert, denn dann friert das Wasser unter den frisch gemisteten Boxen einfach ein. Insgesamt haben wir vielleicht 200 bis 300 Euro für die Schläuche gezahlt und sechs bis sieben Arbeitsstunden investiert.“

Kleine Maßnahmen helfen bereits
Bereits kleine Maßnahmen können zum Energiesparen beitragen: Beispielsweise können bei Heizungen Thermostate eingebaut werden. Auch andere Zähler z.B. für Licht sind sinnvoll, um so herauszufinden, wo eigentlich am meisten Energie verbraucht wird. Zudem kann es helfen, Pferdebesitzer und andere Mitnutzer der Anlage einfach anzusprechen und zu sensibilisieren, dass sie das Licht nach der Nutzung auch ausschalten oder vielleicht bei Tageslicht auch gar nicht benötigen, so dass auch dadurch eine Verbesserung der Energienutzung möglich ist.

Daten sammeln zum Start 
„Zunächst sollte man unbedingt Daten sammeln, also Zwischenzähler einbauen, damit man nicht an Stellschrauben dreht, die gar nicht ausschlaggebend sind. Dann würde ich die Anlage auf jeden Fall mit einem Experten begehen. So kann am besten geschaut werden, wo noch Verbesserungspotenzial besteht. Und es sollten unbedingt mehrere Angebote von verschiedenen Firmen eingeholt werden, wenn beispielsweise eine PV-Anlage angeschafft werden soll. Diese würde ich auch mit dem Experten gemeinsam auswerten. Wenn man diese Dinge beachtet, hat man eigentlich schon einen guten Anfang gemacht“, erklären Kai und Ulrich Schulte.

Für die Zukunft hat die Familie bereits den Bau zwei weiterer PV-Anlagen, dieses Mal auf Altgebäuden und für den Eigenverbrauch, geplant. Zudem denken die Schultes bereits darüber nach, wie sie ihre Heizung weiter optimieren könnten – beispielsweise mit einer Hackschnitzel- oder Mistheizung. fn-press/Lina Meyer

Tipps für die Praxis auf einen Blick:

  • Zwischenzähler einbauen
  • Verhalten optimieren
  • Mitmenschen für das Sparen sensibilisieren
  • Hilfe von einem Experten holen
  • Einordnen: Was rechnet sich?
  • Verschiedene Angebote einholen

Informationen zur energetischen Sanierung von Reitanlagen bietet zudem auch das Buch „Pferdehaltung, Ställe & Reitanlagen. Orientierungshilfen für Bau und Modernisierung“ aus dem FNverlag von Gerlinde Hoffmann.

"Experten-Talk" am 27. Mai - Online Fragen stellen

Zum Thema "Energie- und Kosteneinsparung" lädt die FN auch wieder zu einem kostenlosen Experten-Talk ein. Diese Online-Konferenz findet am 27. Mai von 19 bis 21 Uhr statt. Die rasant steigenden Energiepreise stellen besonders auch Pferdebetriebe und Vereine vor große Herausforderungen. Verschiedene Referenten geben beim Experten-Talk Tipps, Hilfestellungen und beantworten Fragen. Anmeldungen sind ab jetzt bei Eva Waniek per Mail an ewaniek@fn-dokr.de möglich.

Stand: 12.04.2024