Deutsche Reiterliche Vereinigung
18.04.2014 | 14:38 Uhr | Susanne Hennig

Weltcup-Historie: Europa gegen Nordamerika

Dressur: Vom ungeliebten Kind zum sportlichen Highlight

Lyon (fn-press). Sie werden gerne als die inoffiziellen Hallen-Weltmeisterschaften bezeichnet – die Weltcup-Finals Springen und Dressur, die am heutigen Freitag in Lyon beginnen. Während sich die Springreiter schon mal im Warm-Up und in einem CSI3*-Springen mit den Gegebenheiten vertraut machen konnten, greifen die Dressurreiter erst am Samstag ins sportliche Geschehen ein.

 

Ein Erfolgsmodell von der ersten Stunde an – so kann man den Springreiter-Weltcup durchaus bezeichnen. Damals vom Automobilkonzern Volvo unterstützt, hat er auch nach mehrmaligen Sponsorenwechseln und kleinen Regelwerksänderungen in seiner 35-jährigen Geschichte nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. Das Preisgeld stimmt, die sportlichen Bedingungen sind zumeist perfekt, der Titel „Weltcup-Sieger“ hat einen guten Klang. So nehmen etliche Akteure auch gerne lange Reisezeiten in Kauf. Das gilt besonders für die Nordamerikaner, die sich für dieses Weltcup-Finale mit gleich zehn Reiterinnen und Reitern qualifiziert haben.

Nordamerika und der Weltcup – das ist springsportliche Tradition. Beim ersten Weltcup-Finale 1979 schmückte sich zwar der Österreicher Hugo Simon mit dem Titel, aber in der Folge hatten die Europäer nichts mehr zu lachen. Zehn Jahre lange machten die USA und Kanada die Sieger unter sich aus. An manche Paare erinnert man sich heute noch gerne, etwa an Ian Millar und den großartigen Big Ben oder Conrad Homfield und den Trakehner Schimmel Abdullah.

Die Siegesserie der Nordamerikaner riss ab, als der Brite John Whitaker mit einem der wunderbarsten Schimmel der Sportgeschichte auftauchte: Milton. Kein Pferd der Welt hatte so viele Fans wie dieses Springwunder. Noch heute ist die große Milton-Gala mit 100 Schimmeln in der Dortmunder Westfalenhalle unvergessen. Erster deutscher Weltcup-Sieger war 1993 Ludger Beerbaum mit Ratina Z. 21 Jahre später ist der 50-jährige in Lyon zum kaum mehr zählbaren Mal wieder am Start und will’s noch einmal wissen. Die Weltcup-Finals blieben in den Folgejahren in europäischer Hand. Zweimal siegte Hugo Simon mit dem bunten, kleinen Fuchswallach E.T. Eine bis dahin nicht erreichte Leistung gelang dem in Belgien lebenden Brasilianer Rodrigo Pessoa, der mit dem Selle Francais-Hengst Baloubet du Rouet von 1998 bis 2000 dreimal in Folge Weltcup-Finals gewann. Dieser drahtige, nicht unbedingt hübsche Fuchs hat über seine sportliche Eigenleistung hinaus wahrscheinlich noch bedeutendere Spuren als weltweit gefragter Zuchthengst hinterlassen. Ludger Beerbaums Chaman ist eines der besten Beispiele.

Deutsche Rekord-Triumphe feierte Meredith Michaels-Beerbaum mit dem Hannoveraner Shutterfly. Auch dieses Pferd gewann dreimal, allerdings nicht in Folge – 2005, 2008 und 2009. Dreimal siegreich agierte auch Marcus Ehning. Der Borkener sattelte stets andere Pferde, was vielleicht die größte Leistung eines Reiters ist. 2003 war die Stute Anka seine Partnerin, 2006 ritt er mit Sandro Boy zum Sieg und 2010 sorgte er für eine Weltcup-Premiere. Als erster Reiter setzte er zwei Pferde ein: Plot Blue und Küchengirl. Ein neues Reglement macht den Austausch nach der ersten oder zweiten Prüfung möglich. Der letzte deutsche Sieg gelang Christian Ahlmann 2011 mit Taloubet Z. Seitdem „regieren“ wieder die US-Amerikaner und knüpfen an ihre gute alte Weltcup-Tradition an. Ihrem Landsmann Rich Fellers folgte 2013 Beezie Madden, die große Lady des amerikanischen Springsports, zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin und Gewinnerin von Einzel-Bronze 2008 sowie Siegerin im Großen Preis von Aachen 2010. Und nun hat die 50-jährige Titelverteidigerin allergrößten Appetit auf einen erneuten Triumph.

Dressur-Weltcup seit 1986

Der Dressur-Weltcup ist deutlich jünger als die Serie der Springreiter. 1986 wurde das erste Finale ausgetragen. Aber im Gegensatz zum Springen nahm die Entwicklung einen eher schleppenden Verlauf. Das Kürreiten zur Musik hatte Mitte der 1980er Jahre noch nicht so viele Fans, im Gegenteil, Kürreiten wurde von so manchem belächelt und als „Weiberkram“ abgetan. Von den modernen, musikalisch aufwändigen Küren, die auf den Tritt des Pferdes genau per Computer geschnitten sind, war ohnedies noch keine Rede. Man ritt einfach zu einer halbwegs passenden Musik. Sven Rothenberger siegte als erster Deutscher 1990 auf Andiamo, Isabell Werth führte ihre bunte Fuchsstute Fabienne zwei Jahre später zum Sieg. Ein Herz fürs Kürreiten hatte auch Monica Theodorescu. Sie gewann mit Ganimedes zweimal in Folge. Anfang der 1990er Jahre war der Siegeszug der Kür nicht mehr aufzuhalten, mehr noch: Die Weltreiterspiele 1994 in Den Haag schrieben erstmals zwei Einzelmedaillen im Grand Prix Special und in der Kür aus. 1996 bei den Olympischen Spielen von Atlanta wurde „Freestyle“ sogar der dritte olympische Wettbewerb. Immer mehr Veranstalter, national wie international, schrieben Kürwettbewerbe aus. Die Choreographien wurde immer ausgefeilter und die Musikauswahl immer stimmiger. Einen Gutteil zu der stürmischen Entwicklung trug eine Niederländerin bei: Anky van Grunsven zelebrierte die Kür regelrecht und ließ ihren Oldenburger Wallach Bonfire zu den Klängen der Musik tanzen. Neun Mal gewann sie das Weltcup-Finale insgesamt, die letzten Jahre mit dem Hannoveraner Salinero. Ulla Salzgeber schrieb sich mit dem mächtigen lettischen Wallach Rusty zweimal in die Siegerliste ein (2002 und 2002), Isabell Werth gewann mit Warum nicht 2007. Drei Erfolge in Serie sicherten sich wiederum die holländischen Nachbarn: Edward Gal mit Totilas, gefolgt von Adelinde Cornelissen mit Parzival 2011 und 2012.

Der Weltcup geriet jüngst zum Zweikampf zwischen der Niederländerin und Helen Langehanenberg. Vor zwei Jahren musste sich die 31-jährige Deutsche aus Billerbeck bei Münster noch ihrer großen Konkurrentin geschlagen geben – Platz zwei. 2013 wuchsen Helen und der westfälische Hengst Damon Hill über sich selbst hinaus und schwebten zum Sieg. Seitdem hat der Donnerhall-Sohn sich sogar noch mehr gefestigt und verbessert, selbst wenn man das eigentlich gar nicht mehr für möglich gehalten hätte: Zweimal Silber in der Einzelwertung, dazu Mannschafts-Gold bei der Europameisterschaft in Herning und im Februar in Neumünster die 90-Prozent-Marke in der Kür geknackt – Helen Langehanenberg und Damon Hill sind auf dem Höhepunkt ihrer gemeinsamen Karriere. Nun trifft das Paar beim Weltcup-Finale auf die Britin Charlotte Dujardin und den niederländischen Wallach Valegro. Die Olympiasiegerin und Europameisterin hatte während der Saison nicht genügend Punkte gesammelt und vom Veranstalter eine Wild Card bekommen. Das „Duell“ der beiden weltbesten Paare verspricht ein Hochgenuss zu werden. Da kann es deutscher Sicht nur heißen: Daumen drücken für Helen und Dami!

 

Stand: 22.04.2014