Deutsche Reiterliche Vereinigung
06.08.2022 | 12:10 Uhr | Uta Helkenberg

WM Herning: Deutsches Voltigier-Team nach Pflicht gut positioniert

Team Norka und Alina Roß auf Platz zwei

Das deutsche Voltigierteam 2022 (c) Foto Kaup

Das deutsche Voltigierteam für die WM 2022 in Herning. (c) Foto Kaup

Herning/DEN (fn-press). Lady Gaga und Robbie Williams waren hier, Madonna, Paul McCartney, Ed Sheeran und viele andere auch. Nun haben die besten Voltigierer der Welt in der Jyske Banks Boxen, Dänemarks multiflexibler Indoor-Halle in Herning, hier ihren großen Auftritt. An fünf Wettkampftagen ermitteln sie ihre Weltmeister im Einzel- und Gruppenvoltigieren, im Pas de Deux und zum Abschluss im Nationenpreis, bei dem jeweils die Gruppe und zwei Einzelvoltigierer oder –voltigiererinnen ihr Land vertreten. Den Auftakt machte wie üblich das Pflichtprogramm, von dem lediglich die Doppelvoltigierer und der Nationenpreis ausgenommen sind. Auch wenn die deutschen Teilnehmer in allen drei Kategorien zunächst anderen die Führung überlassen mussten, zeigte sich Bundestrainerin Ulla Ramge nach dem ersten Wettkampftag zufrieden. "Alle deutschen Teilnehmer sind hier gut in den Wettkampf gestartet. Sie haben ordentliche Pflichten hingelegt und haben sich gut für folgenden Prüfungen positioniert", so ihre erste Bilanz. 

Den Auftakt des Pflichttages machten die Gruppen und das gleich mit einem Ausrufezeichen. Als erstes startete nämlich das mit Spannung erwartete Team aus Frankreich, dem unter anderem der dreifache Einzelweltmeister Lambert Leclezio und Aachen-Siegerin Manon Moutinho angehören. Mit der Wertnote 8.068 setzten die Franzosen den Standard, an dem sich in der Folge die übrigen 13 Teams messen lassen mussten. Das deutsche Team NORKA des VV Köln-Dünnwald mit Calidor und Patric Looser an der Longe folgt auf Platz zwei mit der Note 7.940, gefolgt von der Schweiz (7.659) und Team Österreich (7.419).

„Herning – unser Ding!“ Begleitet vom Schlachtruf des deutschen Lagers und der noch etwas überschaubaren Zahl an Fans auf der rund 5.000 Zuschauer fassenden Tribüne startete die deutsche Gruppe. Auch sie hochkarätig besetzt mit Einzelvoltigierer Thomas Brüsewitz, dem Duo Chiara Congia und Justin van Gerven, Mona Mertens, Rebecca Verlage sowie die Bronzemedaillengewinnerin der U18-EM Gianna Ronca.

Sechs Übungen muss jedes der sechs Teammitglieder absolvieren, mit denen die technischen und athletischen Fähigkeiten der Voltigierer abgefragt werden. Die Kölner zeigten sich gewohnt souverän. Nur ganz am Ende ging ein kurzes Aufraunen durch die Zuschauerreihen, als Justin van Gerven das letzte Element nicht halten konnte. „Bei der Flanke schwingt man sozusagen in den Handstand. Das ist ihm auch gut gelungen, aber dann ist er eingebrochen, was zwei Punkte Abzug bedeutet“, erläuterte Bundestrainerin Ulla Ramge. „Ansonsten gab es keine der gefürchteten Standardabzüge, die sehr teuer sind. Das Team hat sein Ding durchgezogen. Die einen haben das Programm hundertprozentig abgerufen, der ein oder andere war nicht ganz so souverän beim Stehen. Aber das waren nur Nuancen. Technisch war das eine sehr gute Pflicht ohne größere Vorkommnisse, damit sind wir erstmal zufrieden“, sagte Ulla Ramge.

Diese Meinung teilte auch Torben Jacobs, Aktivensprecher und Co-Trainer der Kölner Gruppe. „Wir sind gut in den Wettkampf gestartet. Wir haben erwartet, dass das nicht ganz so einfach wird, weil ein Championat eben etwas anderes ist als ein normales Turnier und eben auch als das CHIO Aachen, auch wenn das schon groß ist. ‚Calli‘ hat sich heute sehr gut präsentiert, es war gut, dass wir ein gutes offizielles Training hatten, bei dem wir uns gut in der Halle akklimatisieren konnten. Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit der Pflicht. Es war keine perfekte Pflicht, wir hatten noch einige kleine Patzer, aber alle haben gut reagiert, haben flüssig weitergemacht und von da her können wir mit dieser super harmonischen Runde auch sehr zufrieden sein. Damit können wir an die folgende Runde anknüpfen.“

Erstmals entscheidet sich das Gruppenvoltigieren nach zur zwei Wettbewerben: Pflicht und Kür, die im Verhältnis 40:60 gewertet werden. Das deutsche Team nimmt die Wertnote 7,940 Punkte aus der Pflicht mit. Einen erheblichen Anteil daran hat auch Gruppenpferd Calidor. Der 14-jährige Holsteiner von Calido I erzielte zweimal Noten über „8“ und damit die mit Abstand höchste Pferdenote.

Einen gelungen Einstieg in die Weltmeisterschaften legten auch die deutschen Damen hin. Den Beginn machte Kathrin Meyer aus Hamburg, im vergangenen Jahr noch Weltmeisterin mit dem Team Fredenbeck und erste U21-Siegerin beim Preis der Besten. Mit Capitain Claus und Gesa Bührig an der Longe gewann sie in diesem Jahr die Sichtung in Warendorf und ist in dieser Konstellation auch in Herning am Start. Bei ihrer WM-Premiere im Einzelvoltigieren erhielt sie für ihre Pflicht die Wertnote 8,152 – am Ende Platz fünf. „Es war eine solide Runde. Der Aufsprung geht mit Sicherheit besser und der kleine Wackler im Stehen war unnötig. Aber ich bin reingekommen in den Wettkampf und das ist das wichtige“, sagte sie hinterher.

Zweite deutsche Starterin war Championats-Debütantin Julia Sophie Wagner aus Leipzig, vorgestellt auf Giovanni von ihrer Mutter Katja Wagner. Mit sechs gleichmäßig gut gelungenen Pflichtelementen erzielte sie eine Wertnote von 8,310. „Das ist schon cool und macht einen stolz, wenn man rausläuft und danach so eine Note hört. Das ist schon eine gute Grundlage“, sagte sie.

Mit ihrem Ergebnis musste Wagner über eine lange Strecke nur der zum engsten Favoritenkreis zählende Französin Manon Moutinho den Vortritt lassen (Wertnote 8,445) und schließlich auch der dritten Deutschen, Alina Roß. Die Sportpolizistin aus Userin in Mecklenburg-Vorpommern schloss die Pflicht mit der Note 8,365 ab und belegte damit Platz zwei. Ihre Partner in Herning sind der zwölfjährige Baron R und Vater Volker Roß als Longenführer. Auch wenn Herning für das Trio die kürzeste Anreise zum Turnier in diesem Jahr bedeutete, brauchte der 1,90 Meter große Riese etwas Zeit, um sich einzugewöhnen. „Man merkte das beim offiziellen Training, wo er ein bisschen schneller war als sonst“, sagte sie. Auch in der Pflicht war der Rappe zunächst etwas „an“, doch gelang es der Deutschen Meisterin, sich gut darauf einzustellen. „Dafür dass es definitiv nicht die beste Pflichtleistung war, die wir in dieser Saison hatten, ist die Note gut“, sagte sie. „Im Endeffekt kommt es ja auf die eigene Zufriedenheit mit der Leistung an und die ist den Umständen entsprechend gut.“

Es bleibt allerdings spannend, denn neben der führenden Französin und dem deutschen Trio konnten sich auch weitere Favoritinnen den Erwartungen entsprechend eine gute Ausgangsbasis für das kommende Technikprogramm und die Kür sichern. Auf Platz vier rangiert die Dänin Sheena Bendixen (Wertnote 8,203), auf Rang liegt die WM-Bronzemedaillengewinnerin von 2021, Eva Nagiller aus Österreich mit der Note 8,084.

Den Abschluss des ersten Pflichttages im Voltigieren machten die Herren, wobei Thomas Brüsewitz den meist nicht sehr beliebten ersten Startplatz erwischt hatte. „Das Gute für mich was, dass ich vorher schon in der Halle war, und ich habe das auch nicht so an mich herangelassen“, sagte der 28-Jährige, der auch für das Kölner Team startet. In der Einzelwertung sind 13-jährige Wallach Eyecatcher mit Longenführerin Alexandra Knauf seine Partner. Auch wenn er mit seiner Pflicht nach eigener Aussage etwas unter seinen Möglichkeiten blieb, war er mit dem Ergebnis zufrieden. Mit der Note 8,556 beendete den ersten Tag der WM auf Platz vier.

Einen Wimpernschlag dahinter konnte sich Julian Wifling aus Untermeitingen mit der Wertnote 8,506 auf Platz fünf einordnen. Für den Sportsoldaten, seinen „weißen Riesen“ Aragorn und Longenführer Alexander Zebrak ist es die erste Weltmeisterschaft im Seniorenlager. „Ich war ziemlich angespannt, das hat man mir in der Vorbereitung wohl auch angemerkt. Aber ich war dann eigentlich voll entspannt und konnte mein Ding machen, als ich merkte, das mit Aragorn läuft, und dann ist das wie selbst funktioniert. Ich habe geturnt für immer – und das ist eben dabei herausgekommen.“

Vizeweltmeister Jannik Heiland aus Wulfsen beendete das Pflichtprogramm mit der Note 8,416 auf dem vorläufigen Platz sieben. Wie gewohnt startet er auch in Herning mit dem mittlerweile 19-jährigen Hannoveraner Dark Beluga FRH aus dem Besitz seiner Longenführerin Barbara Rosiny, mit denen Heiland bereits 2018 in Tryon Einzelsilber und Gold im Nationenpreis gewinnen konnte. Mit seinem Start in Herning war er nicht ganz zufrieden. „Beluga war etwas flott unterwegs und hat es mir nicht ganz so einfach gemacht. Das kenne ich eigentlich nicht so von ihm. Es war jetzt nicht so eine richtige Wohlfühlrunde“, sagte er und hofft darauf, im kommenden Technikprogramm und in der Kür richtig angreifen zu können.

Angeführt wird die Herrenkonkurrenz nach der Pflicht mit deutlichem Abstand vom dreifachen Weltmeister Lambert Leclecio, der die Wertnote 9.240 erzielte. Auf dem zweiten Platz folgt mit Quentin Jabet ein weiterer Franzose (Note 8,666), auf dem aktuell dritten Platz rangiert der erst 16-jährige niederländische Junioren-Weltmeister Sam do Santos, der durch seinen zweiten Platz in Aachen in diesem Jahr auf sich aufmerksam machte. Er erzielte die Wertnote 8,624.

Alle Infos zur WM in Herning, den Teams, Wettkampf- und TV-Zeiten unter https://www.pferd-aktuell.de/wm2022

Stand: 07.08.2022