Deutsche Reiterliche Vereinigung
03.12.2019 | fn-press

"Start frei - im Cross dabei" füllte die Reithalle in Münchehofe

Fünfte Auflage des Vielseitigkeitseminars zum Thema "Mit Sicherheit besser reiten"

Münchehofe (fn-press). Auf der Tribüne drängten sich die Menschen dicht aneinander – wer zu spät kam, hatte große Mühe, noch einen Platz zu finden. Warum genau sich an diesem Tag so viele Menschen auf die Anlage des Reitreviers Münchehofe in Berlin-Hoppegarten verirrt hatten? Nun, dort veranstaltete die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) das Lehrevent „Start frei – im Cross dabei“. Es war bereits die fünfte Veranstaltung dieser Art, die die FN und in Kooperation mit dem Bereich Persönliche Mitglieder und der Stiftung Deutscher Spitzenpferdesport ausrichtete. Die Tipps rund um den Einstieg in die Vielseitigkeit kamen dabei von zwei hochkarätigen Referenten: Junioren-Bundestrainerin und zweifache Deutsche Meisterin Julia Krajewski sowie Mannschaftsolympiasieger von 2008 und 2012 Peter Thomsen.

Fast vier Stunden demonstrierten die beiden Experten mit vier Gruppen à drei Reitern wie der Weg vom richtigen Sitz bis hin zu Sprüngen auf internationalem Niveau glücken kann. Dabei sprachen Krajewski und Thomsen keineswegs nur die absoluten Grundlagen an, sondern achteten ebenfalls auf die berühmten kleinen Details. Bevor es allerdings mit der ersten Gruppe losging, stand ein Ausrüstungscheck auf dem Programm. Bundestrainerin Julia Krajewski erklärte, worauf Reiter achten sollten. Beim Kauf eines Sattels für die Vielseitigkeit sei es etwa wichtig, dass die Sitzfläche flach und gleichzeitig ausreichend lang genug ist. „Außerdem sollte es der Sattel ausreichend Vorschnitt und wenige Pausche haben, da ansonsten die Bügel nicht kurz genug eingestellt werden können“, erklärte Krajewski.

Auch das Thema Sicherheitsausrüstung sprachen die Experten und Moderator Clemens Richter an. Eine Sicherheitsweste ist im Gelände ohnehin Pflicht, diese kann um eine Airbagweste erweitert werden. Wichtig ist dabei, dass neben dem Schutz genügend Beweglichkeit gegeben ist. Von großer Bedeutung im Sport ist natürlich ebenfalls der Helm. Worauf beim Kauf von diesem ganz besonders zu achten ist? Moderater Richter erklärte: „Der Kinnriemen muss beim Reiten geschlossen sein und so passen, dass der Helm sich nicht bewegen kann. Es wäre fatal, wenn dieser bei einem Sturz in den Nacken rutschen würde.“

Wie beim Autofahren
Bevor man als Vielseitigkeitsneuling überhaupt an Sprünge und schnelle Ritte durch das Gelände denken sollte, muss man die Grundlagen beherrschen. „Das ist ganz ähnlich wie beim Autofahren: Bremsen, Gas geben sowie lenken. Und ich sage bremsen bewusst vor Gas geben“, sagte Krajewski lachend und ließ das die erste Gruppe gleich mal üben. Auf der langen Seite sollten die Reiter galoppieren, auf der kurzen ihr Pony wieder aufnehmen. Bei einem Duo wollte das zu Beginn nicht so recht klappen, das Problem hatte die Junioren-Bundestrainerin schnell ausgemacht – der Druck aus dem Bügel heraus gelang nicht. „Das ist das Fundament. Mit der Wade besteht die meiste Verbindung zum Pferd und nicht etwa mit dem Knie“, sagte sie.

Schon bei den Sprüngen der ersten Gruppe sprachen die Bundestrainerin und Thomsen zwei Punkte an, auf die sie im Laufe der Veranstaltung immer penibler achteten: den Rhythmus und die Linie. „Man muss frühzeitig zum Sprung schauen und dann über das Hindernis hinwegblicken. Also gucken, wo es weitergeht“, sagte Thomsen. Seine Empfehlung außerdem: Vor dem Anreiten eines Hindernisses durch eine Prise Mittelgalopp Schwung holen und dann das Pferd vor dem Sprung aufnehmen und von hinten schließen. Thomsen ließ die Reiter seiner Gruppe zudem immer wieder auf ein Hindernis zu reiten, bis sie es wirklich punktgenau in der Mitte erwischten. Was sich zweifelsohne pedantisch anhören mag, ist laut des Olympia-Mannschaftssiegers jedoch von herausragender Bedeutung. Deshalb sollte man bereits als Anfänger im Training immer daran arbeiten genau und akkurat zu sein. So erzielt man laut Thomsen langfristige Erfolge.

Die Balance halten
Viel Zeit widmete das Experten-Duo ebenfalls dem Thema „ausbalancierte Sitzposition“. Dabei sprachen sie zusätzlich die richtige Bügellänge an. Oft sind diese zu lang eingestellt, sodass der Unterschenkel nach hinten rutscht und es so nicht gelingen kann, das Pferd „vor sich“ zu halten. Thomsen: „Auf lange Sicht ist die Länge entscheidend. Als Tipp: In der Lösephase die Bügel zwei Löcher kürzer machen und dann im Training wieder eines zurück. So gewöhnt man sich daran.“

Um den richtigen Sitz einzustudieren, hatte das Duo extra ein Holzpferd namens „Rocking Movie“ mitgebracht, das auf einem Kugelkopf ruht und mit Gewichten sowie mehreren Gummiseilen ausgestattet war. Auf ihm kann das Einhalten der Balance wie auf einem echten Pferd trainiert werden. „Leicht ist das nicht, weil es viel Körperspannung braucht“, sagte Krajewski. Daher müsse man als Reiter auch an der eigenen körperlichen Fitness arbeiten. Warum die Balance im Sitz überhaupt von so einer entscheidenden Bedeutung ist? Ein Blick auf die Elite des Sports hilft bei der Erklärung. „Beobachtet man mal Topreiter wie Sandra Auffarth kann man sehen, wie sie sich mit dem Sitz auf einen Sprung vorbereitet und wackelige Situationen ausbalanciert“, erzählte Krajewski.

Glückliche Teilnehmer und Zuschauer
Es waren diese vielen kleinen Details und persönlichen Anekdoten des Experten-Duos, die die Zuschauer und Reiter am Ende des Tages gleichermaßen zufrieden nach Hause fahren ließen. „Für mich habe ich viel mitgenommen. Es hat mich überrascht, dass die Grundlagen so wichtig sind, bevor es überhaupt richtig mit der Vielseitigkeit losgeht“, meinte etwa Vanessa aus Brandenburg. Ihre Freundin Larissa ergänzte: „Ich habe selber eine junge Stute und konnte hier mal erfahren, was ich alles machen kann, um sie etwas ruhiger zu bekommen.“ Beide sind übrigens eigentlich in der Dressur beheimatet.

Ausschließlich Lob hatte auch Philine Ganders-Meyer für die Veranstaltung über. „Die Veranstaltung gelang vor allem auf Grund der hervorragenden Referenten und der interessierten Zuschauer“, sagte die Vielseitigkeits-Koordinatorin des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR). Nach fünf Auflagen des Lehrevents solle im kommenden Jahr der Fokus dann auf den Ausbildern liegen. „Geplant sjnd beispielsweise Ausbilderschulungen und eine Videoreihe.“

Auch die beiden Referenten hatten sichtlich Spaß an ihrer Aufgabe. Sowohl Thomsen und Krajewski lobten die Reiter der jeweiligen Gruppen für ihr Können und freuten sich über die zahlreichen Zuschauer. „Das hat wirklich Spaß gemacht“, sagte Krajewski und gab zum Abschluss noch drei einfache Tipps für den Einstieg in den Sport: „Man sollte sich auf jeden Fall einen guten Trainer suchen. Außerdem braucht man ein geeignetes Pferd. Es sollte mitdenken und Fehler verzeihen. Und zuletzt: Dranbleiben und aus den Fehlern lernen.“ FN/Nico Nadig

Stand: 10.12.2019