Deutsche Reiterliche Vereinigung
17.09.2016 | 10:00 Uhr | Uta Helkenberg

Paralympics 2016: Deutsches Team holt Silber zurück

Steffen Zeibig gewinnt Bronze in der Kür

Rio de Janeiro/BRA (fn-press). Bei den Paralympics in Rio de Janeiro hat die deutsche Dressurmannschaft die Silbermedaille zurückgeholt. In den letzten beiden Jahren jeweils Dritter bei den Welt- beziehungsweise Europameisterschaften, konnte das noch weitgehend unerfahrene Team in Brasilien an vergangene Erfolge und das Ergebnis der Paralympics in London anknüpfen. Die Briten erwiesen sich allerdings ein weiteres Mal als unschlagbar, das niederländische Team landete auf dem Bronzerang. Zum glänzenden Abschluss bescherte dann auch noch Steffen Zeibig (Arnsdorf) mit Feel Good der deutschen Bilanz eine Bronzemedaille in der Kür.

Bei den Paralympics bestreiten alle Reiter – ähnlich wie ihre Kollegen bei den Olympischen Spielen – zunächst zwei Prüfungen: den Team Test (analog „Grand Prix“) und den Championship Test (analog „Grand Prix Special“). Beide Ergebnisse addiert zählen für das Teamergebnis. Das Ergebnis des Championship Test alleine ist maßgeblich für die Einzelmedaillen und den Einzug ins Kürfinale, wo ein weiterer Medaillensatz vergeben wird – jeweils in fünf Behinderten-Grades. „Es ist schon erstaunlich, dass wir unser Team-Silber ohne eine einzige Einzelmedaille geschafft haben. Es liegt einfach am guten Schnitt, dass wir sogar drei Prozent vor den Niederländern rangieren", sagte Bundestrainer Bernhard Fliegel. Das war in der Vergangenheit auch schon anders, meist konnten die deutschen Teilnehmer gleich mehrere der insgesamt 30 Einzel- beziehungsweise Kürmedaillen mit nach Hause nehmen. „Aber man merkt auch: Da wächst was heran“, zog Fliegel ein dennoch positives Fazit. So sah es auch Equipechefin Britta Bando angesichts gleich mehrfacher vierter Plätze der deutschen Reiter. „Am Ende fehlte dann eben auch das Quäntchen Glück. Und natürlich darf man auch nicht vergessen, dass wir uns gerade in einem Generationenwechsel befinden, was Pferde und Reiter betrifft. Wir waren hier mit vier Neulingen am Start, die sich erst noch einen Namen machen müssen. Aber wir sind auf einem guten Weg.“

Grade II: Bronze für Steffen Zeibig
So war es der einzige Paralympics-erfahrene Reiter, Steffen Zeibig, der mit seiner Hannoveraner Stute Feel Good (v. Fürst Heinrich) eine Medaille gewinnen konnte. Bereits im Team Test hatte er Platz drei belegt, im Championship Test reichte es dann aber nur zu Platz vier. „Da habe ich vielleicht ein bisschen zu viel riskiert“, sagte der Sachse selbstkritisch. In der Kür schließlich klappte es mit der Bronzemedaille für den Grade II-Reiter. „Ich bin überglücklich“, sagte Zeibig, dem von Geburt an der rechte Unterarm, der linke Fuß und der rechte Unterschenkel fehlen. „Das ist der Lohn für drei Jahre harte Arbeit. Es ist heute sehr gut gelaufen, ich kam viel besser zum Reiten.“ Ein bisschen Zittern musste er nach seinem Ritt allerdings noch, als sich die Niederländerin Rixt van der Horst mit Caraat vor ihm platzierte und die beiden Ritte der Erst- und Zweitplatzierten der Einzelwertung noch ausstanden. „Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Und als ich die zweite Niederländerin gesehen habe, war mir schon fast klar, dass es zu Bronze reichen würde“, sagte Zeibig. Er sollte Recht behalten. Demi Vermeulen, mit Burberry Silbermedaillengewinnerin in der Einzelwertung, blieb hinter ihm und wurde Vierte in der Kür. Die Goldmedaille war der Britin Natasha Baker mit Cabral allerdings nicht zu nehmen.

Ebenfalls in Grade II startete die deutsche Einzelreiterin Claudia Schmidt mit Romeo Royal. Die halbseitig gelähmte Darmstädterin war für Hannelore Brenner (Wachenheim) nachgerückt, deren Kawango sich kurz vor der Abreise verletzt hatte. Sie schlug sich bei ihrem allerersten Championat mit Platz acht im Team Test und Platz elf im Championship Test sehr gut, verpasste aber leider den Einzug ins Kürfinale.

Grade Ia: Zwei Mal „Blech“ für Elke Philipp
Es war das erste Mal, dass eine deutsche Para-Mannschaft mit Reitern aus Grade I bei Paralympics an den Start ging. Elke Philipp (Treuchtlingen) gehört seit den Europameisterschaften 2013 in Herning regelmäßig zum deutschen Team und mit ihrem Hannoveraner Regaliz (v. Rubinero) zu den fleißigsten Prozente-Sammlern. Zum Auftakt im Team Test belegte sie mit über 73 Prozent den dritten Platz und weckte damit Hoffnungen auf Edelmetall. Im Championship Test verstand es jedoch der Brasilianer Sergio Oliva mit Coco Chanel, den Heimvorteil zu nutzen und sicherte sich die Bronzemedaille. Auch in der Kür konnte Elke Philipp das Blatt nicht mehr wenden, sie wurde erneut Vierte. Von Beginn an nicht zu rütteln war an den beiden Spitzenpositionen. Hier wurden einmal mehr die Britinnen Sophie Christiansen mit Athene Lindebjerg und die bereits 67-jährige Anne Dunham mit dem Tigerschecken LJT Lucas Normark ihrer Favoritenrolle gerecht und gewannen sowohl in der Einzelwertung wie auch der Kür Gold beziehungsweise Silber.

Grade Ib: Gelungenes Debüt für Alina Rosenberg
Die Paralympics waren für Alina Rosenberg aus Konstanz der zweite Start bei einem Championat. In Rio trat sie mit ihrem neuen Pferd Nea’s Daboun an, der sich – wichtig in diesem Grade – durch seinen gewaltigen Schritt auszeichnet. Auch bei diesem Paar gab das Ergebnis im Team Test Anlass zu Hoffnungen. Im Championship Test allerdings kam sie nicht über Platz fünf hinaus, sehr zur Enttäuschung von Bundestrainer und Equipechefin, die vor allem in der Schritt-Tour höhere Noten erwartet hatten. Alina Rosenberg war mit ihrer Vorstellung selbst zufrieden. Lediglich mit dem Kurzkehrt hatte sie kleinere Probleme. "Das ist eine schwierige Lektion, wenn man seine Beine nicht so richtig benutzen kann", sagte sie. In der Kür zeigte sich Rosenberg mit Nea’s Daboun noch einmal verbessert und rückte bis auf einen Platz ans Treppchen heran.

An der Spitze von Grade Ib lieferten sich der Brite Lee Pearson und der Österreicher Pepo Puch einen Kampf um die Goldmedaillen. Ihre Geschichten könnten kaum unterschiedlicher sein. Der Brite wurde mit einer Gelenksversteifung geboren, bis zu seinem sechsten Lebensjahr 15 Mal operiert und machte seine ersten Reitversuche auf einem Esel. Der Österreicher war erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter, nahm 2004 an den Olympischen Spielen teil und kämpfte sich nach einem schweren Reitunfall durch das Reiten zurück ins Leben. Heute sind beide Aushängeschilder ihres Sports und Vorbilder in ihren Heimatländern. Pearson, mit zehn Goldmedaillen der erfolgreichste Paralympionike im Pferdesport, gewann den Team Test, wurde in der Einzelwertung Zweiter und sicherte zum Abschluss Gold in der Kür. Puch gewann Gold in der Einzelwertung. Jeweils Bronze ging an die Dänin Stinna Tange Kaastrup mit Smarties.

Grade IV: Carolin Schnarre zwei Mal Fünfte
Die schwer sehbehinderte Carolin Schnarre ist die Jüngste im deutschen Team und startete mit dem Hannoveraner Del Rusch (v. Del Piero) in Grade IV, dem Grad mit den höchsten Anforderungen an Reiter und Pferd. Sie hatte einen frei werden Startplatz nutzen können und war als erste Reservistin kurzfristig in die deutsche Mannschaft nachgerückt. In der ersten Prüfung erschreckte sich ihr Pferd beim Angaloppieren vor den Zuschauern, drehte halb um und war im Rest der Prüfung entsprechend angespannt, doch im entscheidenden Team Test und der Kür konnte die gelernte Pferdewirtin und früher vor allem aktive Springreiterin bis auf Platz fünf an die Spitze heranreiten.

Goldmedaillengewinnerin in Grade IV wurde in der Einzelwertung die Britin Sophie Wells mit Valerius vor „Titelverteidigerin“ Michèle George aus Belgien mit FBW Rainman. In der Kür tauschten beide dann die Plätze. Bronze ging jeweils, wie schon in London 2012, an den Niederländer Frank Hosmar mit Alphaville.

Grade III: Ohne deutsche Beteiligung
Die Prüfungen im Behinderten-Grade III, in den vergangenen Jahren die Domäne von Hannelore Brenner, fanden in diesem Jahr ohne deutsche Beteiligung statt. Hier setzte sich in der Einzelwertung die Norwegerin Ann Cathrin Lübbe mit Donatello gegen die Dänin Susanne Sunesen mit Que Faire durch. Dritte wurde etwas überraschend die Schwedin Louise Etzner Jacobsson mit Zernard, die mit ihrem Ergebnis die niederländische Kürweltmeisterin Sanne Voets mit Demantur vom Podium verdrängte. In der Kür eroberte Letztere allerdings die Spitzenposition zurück und gewann Gold vor Lübbe und Etzner Jacobsson.

Stand: 21.09.2016