Deutsche Reiterliche Vereinigung
27.08.2021 | 16:25 Uhr | Uta Helkenberg

Paralympics Tokio: Einzelwertung Para-Dressur ist entschieden

Platz vier für Dresing und Mispelkamp, Platz sechs für Saskia Deutz, Platz 13 für Steffen Zeibig

Tokio/JPN (fn-press). Die Einzelwertung in der Para-Dressur hat den Anfang gemacht bei den Paralympics im Baji Koen Equestrian Park in Tokio: Nur um wenige Zehntel verpassten Heidemarie Dresing (Grade II) und La Boum ebenso wie Regine Mispelkamp (Grade V) mit Highlander Delight's in ihren Wettkampfklassen eine Bronzemedaille und werden Vierte. Ebenso wie Championatsneuling Saskia Deutz (Grade IV), die mit Soyala Platz sechs belegt, haben sie sich aber für die Kür qualifiziert, in der nochmals Medaillensätze in allen fünf Grades vergeben werden. Etwas Pech hatte dagegen Steffen Zeibig (Arnsdorf), der am zweiten Prüfungstag an den Start ging. Bei seinen vierten Paralympics kam der Grade III-Reiter mit seiner Stute Feel Good nicht über Platz 13 hinaus. Die Para-Dressur wird nun mit dem Teamtest und der Entscheidung über die Mannschaftsmedaillen fortgesetzt.

Die Medaille war für die Paralympics-Debütantin Heidemarie Dresing und ihre Hannoveraner Stute La Boum bereits in greifbarer Nähe. Bis zum vorletzten Starter rangierte die 66-jährige Architektin mit 72,295 Prozent auf dem Bronzerang. Die Führung hatte bis dahin der Österreicher Pepo Puch, der mit einigen Widersetzlichkeiten seines Rappen Sailor's Blue zu kämpfen hatte und damit auf 73,441 Prozent kam, vor der britischen Europameisterin Georgia Wilson, die mit der siebenjährigen Oldenburger Fuchsstute Sakura 72,765 Prozent erzielte. Allerdings war klar, dass damit die Prüfung noch nicht entschieden war, denn als Vorletzer folgte mit Sir Lee Pearson der wohl bekannteste Para-Dressurreiter weltweit. Und tatsächlich gelang es dem 47-jährigen, an einer angeborenen Gelenkversteifung leidenden Briten, sich mit Breezer mit großem Abstand – 76,265 Prozent – an die Spitze zu setzen. Mit seinem Sieg macht Lee Pearson das Dutzend voll. Bereits in Sydney (2000), Athen (2004) und Hongkong (2008) gewann er drei Mal die Goldmedaille, dazu kamen Team-Gold in London (2012) und Kür-Gold in Rio de Janeiro (2016).

"Ich war wirklich sehr zufrieden mit meinem Pferd", sagte Heidemarie Dresing nach ihrem Ritt. "La Boum hatte sich nur vorher etwas erschrocken über den Applaus für meine Vorreiterin. Aber es ist nichts passiert und sie hat sich auch ganz schnell wieder beruhigt", sagte die 66-jährige, an Multipler Sklerose erkrankte Reiterin. Nicht ganz zufrieden war sie mit ihrem Ergebnis. "Aber ich bin früher auch im Regelsport Dressur geritten und habe mir gesagt, wenn du das nicht aushältst, muss du Springen reiten. Der Abstand zu Bronze war nur ein Wimpdernschlag. Der Traum von einer Medaille war schon da, auch wenn ich das nicht laut gesagt habe, um mich nicht unter Druck zu setzen. Aber es ist ja noch nicht vorbei. Ich gebe ja nie auf, sonst würde ich ja auch nicht reiten."

Grade V: Auch Regine Mispelkamp verpasst ganz knapp das Podium
Michele George, Sophie Wells und Frank Hosmar – sie machten auch schon in Rio de Janeiro 2016 die paralympischen Medaillen in Grade V unter sich aus. So war es auch jetzt in Tokio. Zwar saß die Belgierin nicht mehr im Sattel ihres Rainman, erzielte aber auch mit der elfjährigen Hannoveraner Stute Best of 8 (v. Bonifatius) der beste Ergebnis ihrer Wettkampfklasse: 76,524 Prozent. Mit etwas Abstand folgt die britische Doppelweltmeisterin von 2018 Sophie Wells, die ebenfalls mit neuem Beritt in Tokio am Start ist. Mit Dona Cara M erzielte sie 74,405 Prozent schob sie sich als drittletzte Starterin auf den Silberrang vor. Wie 2016 Bronze gab es für den Niederländer Frank Hosmar und seinen bewährten, mittlerweile 16-jährigen Alphaville (73,405 Prozent)

Das Nachsehen hatte auch in diesem Grade die deutsche Starterin Regine Mispelkamp (Geldern). Die WM-Bronzemedaillengewinnerin von Tryon präsentierte erstmals ihren Dunkelfuchs Highlander Delight’s auf einem Championat und landete mit ihm mit 73,191 Prozent hinter Hosmar auf dem vierten Platz. Damit ist auch sie für die Kür am Montag qualifiziert, die angesichts der gezeigten Leistungen in der Einzelwertung und der Dichte des Starterfeldes spannend zu werden verspricht. 

„Ich bin mega zufrieden“, sagte Regine Mispelkamp und berichtete, dass sie sehr viel positives Feedback für ihren Auftritt bekommen habe. „Mein noch sehr championatsunerfahrenes Pferd hat sich toll angefühlt. Er ist einfach eine starke Persönlichkeit und für so etwas gemacht. Er wollte sich präsentieren, war ganz fein an den Hilfen.“ Besonders gelungen seien ihr der starke Schritt, die einfachen Galoppwechsel und der starke Galopp. „Nur beim Einreiten kam ich etwas schräg und im versammelten Schritt ist er einmal hinten etwas ausgewichen“, sagte sie. „Auf dem Vorbereitungsplatz wurde er plötzlich ein bisschen heiß, daher bin ich die erste Tour etwas zaghafter geritten, aber er steigerte sich dann von Lektion zu Lektion“.

Grade IV: Platz sechs für Saskia Deutz
In Grade IV gab die inkomplett gelähmte Saskia Deutz mit ihrer Hannoveraner Stute Soyala ihr Championatsdebüt und beendete die Einzelaufgabe mit 70,975 Prozent auf Platz sechs. Damit ist auch ihr der Einzug ins Kür-Finale am Montag sicher. „Es war einfach ein unglaubliches und unbeschreibliches Gefühl, hier vor so einer Kulisse zu reiten. Soyala war so konzentriert, war ganz bei mir – und sie kann ja auch anders. Aber hier war sie ganz auf meiner Seite“, sagte Deutz strahlend. Lediglich beim Kurzkehrt sei die Stute einmal rückwärts getreten. „Und in den Verstärkungen habe ich auch nicht alles riskiert.“ Die Ärztin aus Sehlen auf Rügen musste in ihrem Grade gleich als erste Starterin aufs Viereck. „Als ich das gesehen habe, habe ich einmal kurz gedacht, na toll, aber danach war jede Emotion verflogen. Ich kann es ja nicht ändern und alles hat bekanntlich Vor- und Nachteile. Und der Vorteil ist, dass der Vorbereitungsplatz schön leer war“, sagte sie.

An der Spitze setzten sich die Favoriten durch. Die Niederländerin Sanne Voets, amtierende Europa- und Weltmeisterin und Kür-Sieger bei den Paralympics in Rio, erzielte mit dem 13-jährigen Demantur 76,585 Prozent. Damit sicherte sie sich die Goldmedaille vor dem zweifachen Vizeweltmeister Rodolpho Riskalla mit dem 18-jährigen Hannoveraner Fuchshengst Don Henrico. Der gebürtige Brasilianer, der in Paris für Dior arbeitet und in Hagen am Teutoburger Wald lebt und trainiert, beendete die Einzelwertung mit 74,659 Prozent. Bronze gab es für die 35-jährige Manon Claeys aus Belgien mit San Dior (72,853), die um einen Wimpernschlag die zweifache Bronzemedaillengewinnerin aus Rio, Louise Etzner Jakobsson mit Goldstrike B.J., auf Platz vier verwies. Die Schwedin erhielt 72,634 Prozent.

Grade III: Pech für Steffen Zeibig
Wie auch in den anderen Grades war auch die Starterliste in Grade III hochkarätig besetzt. Das erste Ausrufezeichen setzte die Niederländerin Rixt van der Horst mit der eleganten braunen Belissimo M-Tochter Findslay. Sie beendete die Prüfung mit 75,765 Prozent auf dem Bronzerang und wiederholte damit ihren Erfolg von Rio 2016. Noch besser als sie bewerteten die Richter allerdings die Britin Natasha Baker, Triple-Goldmedaillengewinnerin in Rio. Sie saß in Tokio im Sattel der zehnjährigen Hannoveraner Stute Keystone Dawn Chorus (v. Dimaggio). Mit 76,265 Prozent gewann das Paar die Silbermedaille, denn auch der Topfavorit dieses Grade III, der amtierende Doppeleuropameister Tobias Thorning Jörgensen wurde den Erwartungen gerecht. Der erst 21-jährige Däne, der seit 2013 an einer Myopathie leidet, bot mit seiner Schimmelstute Jolene Hill eine geschmeidige und harmonische Vorstellung, die mit 78,971 und damit der Goldmedaille belohnt wurde.

Der Jubel war laut, als der junge Däne das Viereck verließ. Nach einer kurzen Pause war dann Steffen Zeibig an der Reihe. „Das war natürlich günstig. Durch die Pause haben wir uns gar nicht groß beim Abreiten gesehen und man muss das einfach ausblenden“, sagte er später. Zeibigs 17-jährige Oldenburger Stute Feel Good präsentierte sich frisch und vor allem im Trab mit viel Ausdruck, rutschte in der Schlangenlinie allerdings einmal weg und galoppierte an. Ein teurer Fehler, denn mit 69,323 Prozent blieb das Paar nicht nur unter seinen Möglichkeiten, sondern verpasste mit Platz 13 auch den Einzug in die Kür. Dennoch äußerte sich Zeibig direkt nach seinem Ritt zufrieden. „Ich bin erst mal rundum zufrieden, vor allem mit dem Pferd. Wir konnten uns rundum super vorbereiten hier. Es ist doch schon schwierig in einem solchen Stadion zu reiten, aber sie hat top mitgespielt. Bis auf Missgeschick in der Schlangenlinie und auch das letzte Halten war nicht so das i-Tüpfelchen bin ich sehr zufrieden, dass wir die Runde so geschafft haben“, sagte Zeibig.

Grade I: Topergebnis für die USA
Die Einzelwertung in Grade I fand in Tokio ohne deutsche Beteiligung. In Rio noch Zehnte gelang es der US-Amerikanerin Roxanne Trunnel mit dem Hannoveraner Dolton (v. Danone I) ein Paukenschlag: 81,464 Prozent gab es für die im Schritt gerittene Vorstellung. Das hieß Gold vor dem Vizewelt- und Europameister Rihard Snikus aus Lettland. Er erzielte mit King of the Dance 80,179 Prozent. Mit etwas Abstand folgt die Italienierin Sara Morganti mit der 16-jährigen Rheinländer Stute Royal Delight, mit der sie bereits 2013 bei den EM Dritte wurde, auf dem Bronzerang. Sie erzielte 76,964 Prozent und verwies damit den amtierenden zweifachen Europameister Jens Lasse Dokkan aus Norwegen mit Aladdin auf den vierten Platz (75,920 Prozent). In Grade I starten die am schwersten behinderten Reiter*innen. Die Athleten sind hauptsächlich Rollstuhlbenutzer, entweder mit geringer Rumpfbalance oder mit begrenzter Arm- und Beinfunktionen.

Und so geht es weiter.: 
Die nächste Entscheidung in der Para-Dressur betrifft die Mannschaftswertung. Startberechtigt sind jeweils drei Reiter*innen pro Nationen. Diese absolvieren dazu den Teamtest innerhalb ihres Grades, am Ende werden alle drei Ergebnisse addiert. Für die deutsche Mannschaft werden die drei Reiterinnen an den Start gehen. Den Auftakt macht Heidemarie Dresing am Samstag, 28. August. Dann treten die Grade II, I und III zum Teamtest an. Saskia Deutz und Regine Mispelkamp folgen  in den Grades IV und V am Sonntag, 29. August, 

Informationen unter www.pferd-aktuell.de/tokio2021/paralympics

Stand: 31.08.2021