Deutsche Reiterliche Vereinigung
29.08.2021 | 15:30 Uhr | Uta Helkenberg

Paralympics Tokio: Deutsches Para-Dressurteam auf Platz sieben

Gold für Großbritannien vor den Niederlanden und den USA

Tokio/JPN (fn-press). Bei den Paralympischen Spielen in Tokio ist die Mannschaftswertung zu Ende gegangen. Teams aus 18 Nationen bewarben sich mit jeweils drei Reiter*innen verschiedener Behinderten-Grades um die Medaillen. Dabei belegte das deutsche Damen-Trio den siebten Platz. Großbritannien gelang es, seinen Titel zu verteidigen, die neuen Silbermedaillengewinner kommen aus den Niederlanden, Bronze ging in die USA.

Als erste deutsche Starterin ging Heidemarie Dresing aus Rheda-Wiedenbrück mit ihrer Hannoveraner Stute La Boum am Samstag in Grade II an den Start. Wie schon in der Einzelwertung lieferte das Paar eine solide Runde ab. Ganz zufrieden war die 66-jährige Architektin dennoch nicht. „Ich bin eigentlich nie hundertprozentig zufrieden. Ich bin ja auch ehrgeizig“, sagte sie mit einem Schmunzeln. „Aber es lief schon deutlich flüssiger als in der Einzelwertung. La Boum ist schon sehr beeindruckt von der Atmosphäre im Stadion. Draußen war sie noch richtig kernig, dass der Bundestrainer meinte, ich solle lieber nicht zu viel riskieren. Drinnen war sie dann ganz anders – und ich kann sie ja nicht so unterstützen und so dransitzen wie ein Regelsportler. Ich hätte die Prüfung schon gerne ausdrucksstärker dargebracht, das geht noch besser“, sagte sie. Für ihre Vorstellung erzielte sie 72,515 Prozent für die deutsche Mannschaft. Nun ruhen ihre Hoffnungen auf der Kür, in der sie – passenderweise - mit Musik aus dem Film La Boum antritt. Musik ist übrigens neben den Pferden ein Teil ihres Lebens. „Mein Großvater war Cellist, ich selbst habe als Jugendliche erfolgreich Oboe gespielt und mit 59 Jahren habe ich mit dem Klavierspielen begonnen. Das ist gut für meine Koordination und macht mir Spaß.“

Regine Mispelkamp aus Geldern vertrat mit Highlander Delight’s die deutschen Farben in Grade V und beendete die Prüfung nach einem gelungenen Beginn mit 71,046 Prozent. „Ich habe die Noten ja nicht mitbekommen, aber die Teamleitung meinte, das hätte sehr hoch angefangen. Er fühlte sich auch toll an, war super dynamisch, super geschlossen“, schilderte die an Multipler Sklerose erkrankte Pferdewirtschaftsmeisterin ihren Ritt. „Nach der Linkstraversale kam ich allerdings nicht ganz gerade ins Halten und auch nicht so gut wieder heraus, aber dann ging er echt toll weiter. Die Trabtour war super, der Galopp war sehr schön, der starke Galopp war gut und auch die einfachen Wechsel.“ In der letzten Trabverstärkung galoppierte der Dunkelfuchs dann allerdings einmal an – ein teurer Fehler. „Er fing gut an, vielleicht hätte ich ihn ein bisschen mehr unterstützen müssen“, sagte sie. Insgesamt zeigte sich die 50-Jährige mit der Vorstellung zufrieden. „Fehler darf er machen, er ist ja auch noch ein junges, unerfahrenes Pferd. Und man sieht ja eindeutig, wo die Reise hingeht. Es macht mich einfach glücklich, dass ich auf dieses Pferd gesetzt habe. Ich kann mich nur wiederholen: Nächstes Jahr wird unsere Zeit, wenn wir das jetzt weiter ausbauen. Er hat so eine Präsenz im Viereck, das macht einfach mega Spaß“, sagte die Reiterin.

Als letzte deutsche Starterin gingen Saskia Deutz und Soyala an den Start. Für die Ärztin von der Insel Rügen und ihre Hannoveraner Stute war es nach der Einzelwertung der zweite Start bei einem Championat. Sie trugen 71,475 Prozent zum Teamergebnis bei. „Es war schon ein anstrengender als in der Einzelwertung. Der Gedanke, für die Mannschaft zu reiten und dass es kein Streichergebnis gibt, lässt sich nicht ganz abschütteln. Ich habe versucht, die Fehler aus der ersten Prüfung nicht zu wiederholen. Sie ging auf alle Fälle frischer und auch der Kurzkehrt klappte dieses Mal gut. Ich bin auf jeden Fall zufrieden. Mein Pferd hat ja keine Championatserfahrung und es ist toll, wie sie sich hier händeln lässt und sich präsentiert", sagte Saskia Deutz.

Team Großbritannien verteidigt den Titel 
Die neuen Olympiasieger aus Großbritannien überzeugten durch drei gleichmäßig gute Spitzenergebnisse. Lee Pearson erzielte mit Breezer 77,636 Prozent (Grade II) und fügte seiner üppigen Medaillensammlung die 13. Goldmedaille hinzu. Natasha Baker (Grade III) kam mit Keystone Dawn Chorus auf ein nahezu vergleichbares Ergebnis wie ihr Teamkollege (76,618 Prozent) und auch Grade V-Reiterin Sophie Wells war mit Donna Cara M in diesem Bereich unterwegs: 75,651 Prozent. Das war auch nötig, denn die Mannschaftsweltmeister von Tryon waren den Briten dicht auf den Fersen. Knapp sieben Hunderstel fehlte den Niederländern Rixt van der Horst mit Findslay (76,236, Grade III), Frank Hosmar mit Alphaville (76,235, Grade V) und Sanne Voets mit Demantur (78,2, Grade IV) zum Sieg. Die drittplatzieren US-Amerikaner verdankten die Bronzemedaille dagegen vor allem dem Ergebnis von Roxanne Trunnell. Die Grade I-Reiterin hatte bereits in der Einzelwertung mit Dolton die 80er Marke überschritten und beendete den Teamtest mit 80,321. Ihre Teamkolleginnen Rebecca Hart (Grade II) mit El Colonel Texel und Kate Shoemaker mit Solitaer steuerten 72,206 beziehungsweise 71,825 Prozent bei.

Den Teamwettbewerb live vor Ort verfolgt hat auch Dr. Dennis Peiler, Geschäftsführer des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR). Er zieht danach ein erstes Fazit: „Die Paralympics zeigen einmal mehr, dass der Para-Sport im Allgemeinen, aber auch im Pferdesport immer mehr Aufmerksamkeit erzielt und dadurch auch der Teilnehmerkreis stetig wächst. Das ist einerseits sehr erfreulich, aber damit wachsen natürlich auch die Konkurrenz und der Leistungsdruck. Das erleben wir ja auch in Deutschland selbst – die Auswahl an potenziellen Championatsreitern war noch nie so groß. Insofern ist schon die Nominierung für Tokio ein großer Erfolg, mit dem für die meisten auch ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen ist. Alle haben sich akribisch auf Tokio vorbereitet haben, sind hier konzentriert geritten und haben, wenn auch die erwarteten Leistungen nicht ganz erbracht wurden, doch wertvolle Championatserfahrung sammeln können. Aber wir müssen natürlich feststellen, dass wir uns mit unserem Teamergebnis von der Weltspitze etwas entfernt haben. Das zeichnete sich schon bei den EM in Rotterdam ab und wurde jetzt hier noch einmal deutlich. Dies ist ein Thema, das wir nach den Spielen einmal grundsätzlich angehen müssen. Hier und heute möchte ich unseren Reitern aber erst einmal zu ihren Leistungen gratulieren. Sich in dieser Atmosphäre und auch bei hiesigen Temperaturen so präsentiert zu haben, verdient wirklich allergrößte Anerkennung.“

Endstand:
Gold: Großbritannien: 229.905
Silber: Niederlande: 229.249
Bronze: USA: 224.352
4. Dänemark: 224.324
5. Belgien: 223.137
6. Frankreich: 216.219
7. Deutschland: 215.036
8. Italien: 214.057
9. Österreich: 213.502
10. Kanada: 211.699

So geht es weiter: 
MIt dem Teamwettbewerb sind die Paralympics für die Reiter noch nicht beendet. Für sie geht es am Montag weiter in der Kür. Dort werden in allen fünf Grades noch einmal Einzelmedaillen vergeben. Alle drei deutschen Teamreiterinnen konnten sich für den Start qualifizieren. 

Informationen unter www.pferd-aktuell.de/tokio2021/paralympics. Einen Livestream gibt es unter www.paralympic.org.

 

 

 

Stand: 29.08.2021