Deutsche Reiterliche Vereinigung
21.08.2017 | 11:35 Uhr | fn-press

DKB-BCH 2017: Vielseitigkeitspferde - Junge Alleskönner

Warendorf (fn-press). Gut besucht ist der Geländeplatz während der DKB-Bundeschampionate: Hier zeigen Pferde und Ponys – fünf- und sechsjährig – wie man die gestellten Schwierigkeiten auf der Querfeldeinstrecke mutig, flüssig sowie harmonisch-rationell absolviert. Hecken und Ecken, Wälle und Wasser, Kisten, Bürsten und allerhand Baumstämme: all das verlangt von den Talenten ein Höchstmaß an Koordination, Sprunggeschick und jede Menge Routine.

Diese Routine bekommen die Youngster auf den Sichtungsturnieren: Zweimal die Note 8 oder besser müssen die Fünfjährigen in einer Geländepferdeprüfung der Klasse A erreichen, dazu eine 7,0 in einer Geländepferdeprüfung der Klasse L. Darüber hinaus ist eine Platzierung in einer Vielseitigkeit der Klasse A gefordert: Die Sechsjährigen sammeln analog ihre Achten in Geländepferdeprüfungen der Klasse L und fügen den zwei zählenden Ergebnissen eine Platzierung auf Ein-Sterne-Niveau hinzu. Jede Menge Erfahrung also, die die jungen Vielseitigkeitspferde im Verlauf der Saison sammeln, bevor sie sich den Anforderungen des Bundeschampionats stellen. In Warendorf steht dann neben der Qualifikation in Form einer Geländepferdeprüfung der Klassen A beziehungsweise L auf dem Programm. Wer es nicht auf Anhieb ins Finale schafft, kann sein Glück im Kleinen Finale erneut versuchen. Im Finale selbst geht es auch aufs Dressurviereck und in den Parcours, wobei der Höhepunkt dieses vielseitigen Dreikampfs noch immer die sonntägliche Geländepferdeprüfung der Klasse L beziehungsweise M ist.

Vier Champions und eine Enttäuschung
Championatsreiter und Team-Olympiasieger Peter Thomsen kommt alljährlich mit einer ganzen Reihe erfolgversprechender junger Vielseitigkeitspferde zu den DKB-Bundeschampionaten. Er selber und seine Bereiter sind in der Regel sowohl bei den fünf- als auch bei den sechsjährigen Buschtalenten am Start. Mit Erfolg! „Das Bundeschampionat ist für die Pferde, Reiter, Züchter und Besitzer das jährliche Highlight. Es dient der Ausbildung eines talentierten Vielseitigkeitspferdes, da viele Platzierungen im Vorfeld als Qualifikation erreicht werden müssen. Dazu bieten die DKB-Bundeschampionate wahre Championatsbedingungen für Reiter und Pferde und fördern beide diesbezüglich vor größerem Publikum.“ Er weiß: „Das Pferd muss bis zum Championat vom Reiter perfekt ausgebildet worden sein, nervlich stark genug mit exzellenter Veranlagung. Die Ausbildung muss mindestens ein Jahr vorher beginnen und sorgsam geplant werden, es darf auch nicht zu viel werden.“ Einige Reiter hätten sich genau darauf spezialisiert, berichtet Thomsen weiter, denn natürlich seien unter den Zuschauern immer auch Kaufinteressenten. So ist es auch kein Wunder, dass beispielsweise viele der jungen Talente später unter Nachwuchsreitern oder auch Amateuren im internationalen Sport wieder auftauchen.

Unvergessen für Peter Thomsen sind die Siege „seiner“ Bundeschampions: des Trakehners Kunta Kinte TSF (v. Fontainbleau – Sacramento Song xx) 2001, des Hannoveraners Absalons Pappilion (v. Perpignon – Waldemar Atterdag xx) 2006 sowie der beiden Holsteiner Calle (v. Cristo – Quebec) 2013 und Horseware Nobleman (v. Nekton – Candillo) 2015, die von den Schwedinnen Louise Svensson-Jähde bzw. Moa Kulle zum Titel geritten wurden. Thomsen erinnert sich aber auch an Tiefschläge. Einer seiner Favoriten, der Holsteiner Livingston (v. Laval II – Raimondo), „hatte seinerzeit eine falsche Impfung im Pass, so dass er nicht starten durfte“, sagt Thomsen. Es ist trotzdem etwas aus ihm geworden: Der Brite Will Furlong gewann mit ihm 2015 Gold bei den Europameisterschaften der Jungen Reiter.

Fachsimpeln im Busch
Thies Kaspareit, Mannschafts-Olympiasieger, Vielseitigkeitsrichter und Kommentator auf dem Richterturm bei den DKB-Bundeschampionaten freut sich darauf, die besten Nachwuchspferde Deutschlands zu sehen. „Jedes Jahr gibt es einige besonders schöne Momente, bei denen ich immer wieder Gänsehaut bekomme, nämlich, wenn tolle Pferde auf einem toll hergerichteten Geländeplatz von ihren Reitern so vorgestellt werden, dass gegenseitiges Vertrauen, Leichtigkeit, Sicherheit und Freude spürbar sind.“ Außerdem schätzt Kaspareit es, dort sehr viele Fachleute zu treffen und mit ihnen über die tollen Buschtalente zu sprechen. Als besondere Herausforderung der DKB-Bundeschampionate bezeichnet er das unglaublich hohe Niveau der Pferdequalität. „Alle haben ‚zu Hause‘ Qualifikationen gewonnen, jetzt müssen sie sich einer mindestens gleichwertigen Konkurrenz stellen“, so Kaspareit. Natürlich träfen die Pferde in Warendorf auf etwas höhere Anforderungen und aufregende Rahmenbedingungen, an die sie sich aber schnell gewöhnten. Mit der Vorabbesichtigung der Prüfungsplätze würden für die ganz jungen Pferde auch Möglichkeiten der Gewöhnung geschaffen.

Von Warendorf in die Welt
Beim Blick in alte Starterlisten fällt auf: Etliche deutsche Kaderpferde sind in ihrer Jugend erfolgreich bei den DKB-Bundeschampionaten gestartet. Warum genau dieser Karriereweg bei den „Buschis“ so gut klappt, erklärt Thies Kaspareit so: „Vielleicht ist das Format noch näher an der Realität dessen dran, worauf es im Spitzensport ankommt. Zwar altersgerecht, aber schon mit all den Kriterien, die im Sport wichtig sind. Die Reiter sind häufig die Topreiter selbst, die das System zum Aufbau ihrer Nachwuchspferde nutzen. Es ist keine eigene ‚Nische‘, vielmehr passen die DKB-Bundeschampionate in diesem Alter perfekt in die Karriere des späteren Vielseitigkeitspferdes.“ Der Boom im deutschen „Busch-Lager“ hatte nach Einschätzung Kaspareits übrigens noch einen Effekt auf die Pferdezucht: Der Markt für Vielseitigkeitspferde ist speziell in Deutschland in den letzten Jahrzehnten größer und bedeutender geworden, die Nachfrage aus dem Ausland steigt.

„Verkanntes“ Genie
Nichts desto trotz gab es auch einige „verkannte“ Talente: So ist Doppelolympiasieger Sam, damals noch unter Namen Sam the Schwäbisch Man (Württemberger von Stan the Man xx – Heraldik xx), bei seinem Auftritt beim Bundeschampionat anders als bei den meisten Turnieren später – im Mittelfeld gelandet: „Unabhängig davon, dass manche Pferde bei einem so perfekten Reiter wie Michael Jung, ungeahnte Entwicklungen machen, ist das etwas, mit dem wir leben müssen. Wenn es noch einmal einen ‚Sam‘ geben würde, dann würde er vermutlich wieder kein Bundeschampion werden. Wenn er ins Finale gekommen ist, und dort im Mittelfeld war, dann gehörte er aber zu den Top Ten! In seiner sympathischen, ökonomischen Art bekam er zwar immer eine gute oder auch etwas bessere Bewertung, stach aber nicht so hervor wie einzelne andere Pferde, mit einer noch energischeren Bergauf-Galoppade oder einem noch perfekteren Sprungablauf“, so Kaspareit. Darüber hinaus könnten die Richter die Interieur-Merkmale, die für ein späteres Spitzenpferd besonders wichtig sind, nur sehr eingeschränkt bewerten: „Eigentlich können das nur die Reiter selbst einschätzen.“

So sehen Sieger aus
Ingrid Klimke, die gerade erst im vergangenen Jahr mit dem damals sechsjährigen Königssee einen weiteren Bundeschampionats-Titel einfuhr, lobt: „Der Geländeaufbau ist freundlich gestaltet, die Hindernisse wunderschön zurecht gemacht.“ Nichts desto trotz habe es der Cross ganz schön in sich, findet die Reitmeisterin: „Die Qualis sind im Allgemeinen eine Tick leichter und zwar nicht in puncto Hindernishöhe, sondern von der optischen Gestaltung her.“ Deshalb kommt sie auch nur mit den Besten ihrer Youngster zu den DKB-Bundeschampionaten. Klimke erklärt: „Der Ausbildungsverlauf bei den jungen Buschpferden ist sehr spannend. Die Pferde machen während des Trainings extreme Entwicklungsschübe durch. Da kann es sein, dass ein Pferd sehr hoffnungsvoll beginnt, ich es als sicheren Kandidaten fürs Bundeschampionat sehe und intensiv trainiere, und plötzlich baut es völlig ab. Dann muss ich das Training und meine Ansprüche umstellen. Dann gibt es wieder Kandidaten, die ich für zu unreif für das Bundeschampionat und die Quali halte, weil sie zum Beispiel schlaksig und überbaut sind. Nach einem kurzfristigen Entwicklungsschub aber lösen sie ihre Trainingsaufgaben mit Bravour. Deshalb kann ich nur jedem raten, alle Pferde regelmäßig und konsequent durchzuarbeiten und auf die Entwicklungsphasen entsprechend Rücksicht zu nehmen.“

Zu den generellen Voraussetzungen eines potenziellen Champions sagt die zweimalige Mannschafts-Olympiasiegerin: „ Ganz wichtig ist natürlich, dass die Pferde genügend galoppieren können. Sie sollen leichtfüßig galoppieren und dabei nicht zu aufwendig. Aber auch im Schritt und Trab müssen die Pferde mindestens über ein gutes Potenzial verfügen, denn die dressurmäßigen Anforderungen an die Geländepferde sind in den letzten Jahren doch ziemlich gestiegen. Ein zukünftiges Vielseitigkeitspferd muss mutig, hart und springfreudig sein. Das Interieur ist für mich das A und O. Auch eine Top-Gesundheit ist als Grundlage für die weitere Entwicklung im Vielseitigkeitssport existenziell.“ FN/J. Kaup/Hb

Mehr Infos, Zeitplan und Teilnehmer unter www.dkb-bundeschampionate.de.

Stand: 29.08.2017