Deutsche Reiterliche Vereinigung
15.10.2021 | 16:00 Uhr | Adelheid Borchardt

FAQ zum fliegenden Galoppwechsel

Tipps und Übungen: So gelingt der fliegende Wechsel

Warendorf (fn-press). Diese Woche steht der fliegende Galoppwechsel auf den Social-Media-Kanälen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) im Fokus. Dass diese Lektion zur fortgeschrittenen Ausbildung von Reiter und Pferd gehört, zeigten auch die Fragen, die die FN erreichten. Die Antworten basieren auf Band 2 der Richtlinien für Reiten und Fahren „Fortgeschrittenen Ausbildung für Reiter und Pferd“. Dort werden die Zusammenhänge der Ausbildung aber auch die genaue Ausführung und Hilfengebung der jeweiligen Übungen und Lektionen werden bis zu den höchsten Klassen jeder Disziplin umfassend und detailliert erläutert.

Wie genau geht die Hilfengebung für den fliegenden Wechsel?
Um das Umspringen präzise auszulösen, braucht es vom Reiter ein gutes Timing und viel Gefühl für die Bewegungen des Pferdes. Die Hilfe zum fliegenden Wechsel gibt der Reiter in der Regel im Moment der Einbeinstütze, also direkt vor der Schwebephase. Wann genau die Hilfengebung erfolgt, hängt individuell von der Reaktionszeit des Pferdes ab. Allerdings ist das Zeitfenster begrenzt: Nur im letzten Drittel eines jeden Galoppsprungs kann der Wechsel ausgelöst werden – das ist der Moment, in dem der Reiter das Gefühl hat, tiefer im Sattel zum Sitzen zu kommen. Das Pferd kann dann kurz vor dem Abdruck in die Schwebephase die Hilfe umsetzen und die Bewegungen entsprechend koordinieren: Das alte innere Hinterbein wird zum neuen äußeren Hinterbein und landet nach der Schwebe zuerst, während das alte äußere Hinterbein weiter durchspringen muss. Für die Hilfe zum Wechsel werden die Schenkel umgelegt: Der vorher verwahrende äußere gleitet an den Gurt, der vorher innere wird zurückgelegt. Beim losgelassen sitzenden Reiter wird durch das Umlegen der Schenkel automatisch die neue innere Hüfte vorgeschoben und er unterstützt so den neuen Galoppsprung als einseitig belastende Gewichtshilfe. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen des Wechsels ist auch die Hand des Reiters. Im Moment des Umspringens gibt die neue innere Hand leicht nach und lässt den Galoppsprung heraus, während der neue äußere Zügel das Pferd einrahmt.

Wie bringt man Pferden den fliegenden Wechsel bei?
Zunächst wird der fliegende Wechsel zur besseren Galoppseite trainiert, also in der Regel von der hohlen Seite zur Zwangsseite. So bekommt das Pferd Sicherheit im Bewegungsablauf und Vertrauen. Ebenso hat es sich bewährt, den Wechsel anfangs jeweils an der gleichen Stelle der Reitbahn auszuführen, so kann das Pferd die komplexe Anforderung besser einordnen. Und wie bei allen neuen Übungen gilt auch für den fliegenden Galoppwechsel: Weniger ist mehr. Nach einem oder zwei guten Wechseln sollte der Reiter die Übung beenden und mit kleinen Fortschritten zufrieden sein. Bewährt haben sich außerdem Übungen, bei denen das Pferd den Wechsel auf gerader Linie springen kann, etwa auf der Diagonalen. Unmittelbare Richtungswechsel, wie zum Beispiel beim Durch-den-Zirkel-wechseln, stellen hingegen schon einen erhöhten Schwierigkeitsgrad dar. Für Pferde, die zum Schwanken oder Stürmen neigen, eignet sich der Wechsel vom Handgalopp zum Außengalopp an der langen Seite. Die Bande bietet hier eine optische Begrenzung, das Pferd bleibt besser gerade und konzentrierter beim Reiter. Welche Methode oder Übung der Reiter wählt, hängt immer individuell vom Pferd, seiner Veranlagung und seinem Temperament ab. Hierfür ist ein hohes Maß an Gefühl und Erfahrung erforderlich.

Gibt es Übungen zur Vorbereitung des fliegenden Wechsels?
Der Wechsel kann nicht besser sein als die Galoppade selbst. Deshalb ist die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen des fliegenden Galoppwechsels ein guter Galopp: im klaren Dreitakt, losgelassen und in guter Selbsthaltung, aktiv durchgesprungen, geradegerichtet und sicher vor dem Reiter. Bevor mit dem Erarbeiten der Wechsel begonnen wird, lässt sich das Pferd gut versammeln, führt durchlässige, einfache Wechsel aus und beherrscht Tempounterschiede im Galopp auf beiden Händen.

Gibt es Übungen, damit das Pferd den Wechsel nicht vorweg nimmt?
Wechselt das Pferd vor oder nach der Hilfe, liegt häufig eine zu aufwendige Hilfengebung zugrunde. Ändert der Reiter sehr aktiv die Haltung seines Oberkörpers, um eine neue Sitzposition einzunehmen, bringt er damit unter Umständen das Pferd aus dem Gleichgewicht und verursacht ein zu frühes oder zu spätes Umspringen. Reagiert das Pferd verzögert, weil der Schenkelgehorsam nicht ausreichend ist, können einfache Wechsel mit wenigen Schritten und energischem Angaloppieren Abhilfe schaffen. Springt das Pferd den Wechsel mit hoher Kruppe, ist zunächst die Losgelassenheit und die Rückentätigkeit zu überprüfen und zu verbessern. Durch viele Übergänge, Tempounterschiede und einfache Galoppwechsel kann die Spannung abgebaut und die Durchlässigkeit gefördert werden.

Was kann ich tun, wenn das Pferd hinten nachspringt?
Das Nachspringen des Wechsels oder das Umspringen in zwei Phasen tritt gerade zu Beginn häufig auf. Hier gilt es besonders, die Hilfengebung des Reiters noch einmal zu überprüfen: Gibt die innere Hand genügend nach? Wird der Schenkelimpuls im richtigen Moment gegeben? Bleibt der Reiter ruhig und gerade im Oberkörper? Oft liegt die Ursache für das Nachspringen aber auch in der Galoppade des Pferdes. Dann müssen durch Übergänge innerhalb des Galopps zunächst die Aktivität und die Lastaufnahme verbessert werden.

Zu guter Letzt noch ein Tipp von FN-Expertin Lina Sophie Otto, Pferdewirtschaftsmeisterin und Mitarbeiterin der FN-Abteilung Ausbildung:
„Grundsätzlich sollte man sich in seiner reiterlichen Entwicklung von einem Ausbilder begleiten lassen. Egal, ob man Anfänger oder fortgeschrittener Reiter ist. Bezogen auf den fliegenden Wechsel empfehle ich, diesen nicht alleine zu üben. Es wird nicht gelingen, dass Mensch und Pferd gemeinsam die fliegenden Wechsel erlernen, ohne dass Hilfe von unten kommt. Das ist ja gerade die Herausforderung: Die fliegenden Wechsel sind so komplex, stellen so hohe Anforderungen an die Koordination des Pferdes und des Reiters, dass es ohne gute Anleitung sehr leicht zu Fehlern kommt. Und hat das Pferd erst einmal eine Bewegung falsch erlernt – zum Beispiel weil das Nachspringen nicht bemerkt und entsprechend korrigiert wurde – entsteht ein Problem. Gleiches gilt natürlich für den Reiter auch: einmal falsch erlernte und abgespeicherte Bewegungen lassen sich nur sehr schwer überschreiben. Deshalb braucht dieser auch ein wirklich sicheres Lehrpferd, das auch eine falsch dosierte oder zeitlich unpassende Hilfe noch sicher umsetzt. Wechsel lernen braucht immer Hilfe von unten, bis das reiterliche Gefühl für das sichere Durchspringen usw. gut entwickelt ist.“

Praxisnahe Hilfestellung wie man den fliegenden Galoppwechsel erarbeitet, finden Reiter in dem neu aufgelegten Band 2 der Richtlinien für Reiten und Fahren „Fortgeschrittenen Ausbildung für Reiter und Pferd“. Das Standardwerk ist erst Anfang des Jahres grundlegend neu überarbeitet erschienen. In dieser 14. Auflage wird der Ausbildungsprozess in der weiterführenden Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitsausbildung noch präziser und detaillierter beschrieben als in vorherigen Auflagen. Die Zusammenhänge der Ausbildung aber auch die genaue Ausführung und Hilfengebung der jeweiligen Übungen und Lektionen werden bis zu den höchsten Klassen jeder Disziplin umfassend und detailliert erläutert. Das Buch ist im FNverlag erschienen.

Stand: 15.10.2021