Deutsche Reiterliche Vereinigung
06.05.2022 | 08:00 Uhr | fn-press

Die Skala der Ausbildung: Geraderichtung

Besser reiten - Praxistipps für das Geraderichten

Skala der Ausbildung - Foto: Stefan Lafrentz

Geraderichtung ist gleichmäßiges Gymnastizieren beider Körperhälften zum Ausgleichen der natürlichen Schiefe des Pferdes. Foto: Stefan Lafrentz

Warendorf (fn-press). Im Rahmen der Themenwoche zur Skala der Ausbildung, dreht es sich jetzt um die Geraderichtung. Damit ist das gleichmäßige Gymnastizieren beider Körperhälften zum Ausgleichen der natürlichen Schiefe des Pferdes gemeint. Geraderichtung ist einer der sechs Punkte der Skala der Ausbildung. Dazu gehören außerdem Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung und Versammlung. Die Skala der Ausbildung ist nicht nur das Fundament der klassischen Reitlehre, sondern auch der Grundstein für eine harmonische Reiter-Pferd-Beziehung.

Das Geraderichten dient dazu, die natürliche Schiefe auszugleichen, die jedes Pferd von Natur aus mitbringt. Ein Pferd, das geradegerichtet ist, bewegt sich mit Vorder- und Hinterbeinen auf einer Hufschlaglinie, das heißt also, dass das jeweils gleichseitige Beinpaar auf einer Linie geht und die Längsachsen aufeinander ausgerichtet sind.

Das spielt eine wichtige Rolle für die Gesunderhaltung des Pferdes, denn nur so kann das Pferd das Gewicht gleichmäßig auf beide Körperhälften verteilen. Andernfalls kommt es durch das Ungleichgewicht zur einseitigen Belastung von Muskeln, Sehnen und Gelenken. Das Geraderichten und die gleichmäßige Belastung beider Seiten verhindert vorzeitigen Verschleiß und ist damit praktizierter Tierschutz.

Pferde haben eine sogenannte "hohle Seite" und eine "Zwangseite". Wenn das Pferd nach rechts schief ist, dann hat es rechts die hohle Seite. Das merkt der Reiter daran, dass

  • das Pferd nicht sicher an den rechten Zügel herantritt, sich aber auf den linken vermehrt stützt.
  • das Pferd in Rechtwendungen über die Schulter nach außen ausweicht und zum Beispiel Volten oft zu groß werden.
  • der Linksgalopp sicherer und ausbalancierter ist und das Pferd auch fliegende Wechsel nach links besser springt.
  • der Reiter vor allem im Rechtsgalopp nach links gesetzt wird und in der Hüfte einknickt.

Ursache ist immer die Schiefe des Pferdes: Das rechte Hinterbein fußt außen an der Spur des Vorderbeins vorbei und entwickelt weniger Schub. Das linke Hinterbein trägt mehr zur Schubkraft bei und dadurch wird das linke Vorderbein mehr belastet. Bei einem Pferd, das nach links schief ist, treffen diese Punkte andersherum zu.

Praxis-Tipps für das Geraderichten

Schultervor
Beim Schultervor wird die Vorhand auf die Hinterhand eingerichtet, so dass das innere Hinterbein in Richtung zwischen die Vorderbeine tritt. Das äußere Hinterbein fußt weiter in die Spur des äußeren Vorderbeins, das Pferd muss also insgesamt mit den Hinterbeinen schmaler spuren und vermehrt Last aufnehmen. Das Schultervor ermöglicht damit nicht nur die Geraderichtung, sondern fördert auch die Versammlung. Besonders die Galopparbeit lässt sich mit dem Schultervor verbessern, weil das innere Hinterbein weiter unter den Schwerpunkt springt. Auch zur Vorbereitung und zum Beenden von Lektionen wie zum Beispiel Traversalen oder beim Anreiten von schmalen Hindernissen ist das Schultervor sehr nützlich.

Weg von der Wand
Die Bande kann als Begrenzung hilfreich sein, sie kaschiert aber auch Gleichgewichtsprobleme und mangelnde Geraderichtung. Das Reiten auf dem zweiten oder dritten Hufschlag sollte deshalb immer wieder ins Training eingebaut und auf eine sehr korrekte Linienführung geachtet werden. Vor allem im Galopp merkt der Reiter sehr schnell, ob er das Pferd wirklich gerade vor sich und sicher eingerahmt hat. Und auch in der Trabarbeit ist es durchaus sinnvoll, immer mal wieder ganz bewusst den ersten Hufschlag zu verlassen und zu fühlen, ob das Pferd sicher an beide Zügel herantritt. Auch das Einhalten der korrekten Hufschlaglinien – etwa bei Schlangenlinien oder Volten – stellt eine gute Überprüfung des Geraderichtens dar.

Stellung und Biegung
Gleichmäßige Längsbiegung auf beiden Händen macht das Pferd geschmeidig, beweglich und elastisch. Der Fachbegriff hierfür ist Geraderichtende Biegearbeit. Die seitliche Rumpfmuskulatur wird gedehnt und gekräftigt, die natürliche Schiefe ausgeglichen. Dabei ist es wichtig, beide Hände gleichmäßig zu gymnastizieren und nicht nur auf der Schokoladenseite zu reiten. Der Reiter sollte alle Übungen auf der besseren Seite beginnen und sie dann auch auf der schlechteren Hand durchführen. Die geraderichtende Biegearbeit mit Zirkeln, Schlangenlinien und Volten hilft hierbei.

Mehr zu den sechs Punkten der Skala der Ausbildung unter www.pferd-aktuell.de/ausbildung/ausbildung-des-pferdes

Ausbildungsskala des Pferdes - Grafik: FN
Stand: 06.05.2022